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Der bayerische Maschinenhersteller Singulus Technologies AG aus Kahl am Main hat zwar volle Auftragsbücher (im Augenblick 110 Millionen Euro) für die Solarindustrie, angefangen von seinem 16,75prozentigen Teilhaber China National Building Materials (CNBM) aus China, über einen Photovoltaik-Hersteller aus Japan bis jüngst für den Weltraum vom deutschen Unternehmen Azur Space.
Doch künftig will der börsennotierte Mittelständler auch vom Wasserstoffboom profitieren, der ja praktisch vor der Haustür stattfindet. Mit Grafit statt Goldeinsatz bei der Herstellung von Wasserstoff-Brennzellen.
Gegenwärtig fehlen auf dem Wasserstoff-Markt noch ausgereifte Technologien und durchgängige Fertigungslinien für die Brennstoffzellenproduktion
Bis heute verfügt die Industrie noch nicht über ausgereifte Technologien und durchgängige Fertigungslinien für die Brennstoffzellenproduktion, wie Business Leaders berichtete. Statt dessen werden Einzelkomponenten teils in Handarbeit gefertigt oder allenfalls wenig automatisiert zusammengeführt und durchlaufen zeitaufwendige Prozesse zur Qualitätsüberwachung.
Und hier kommt Singulus ins Spiel: Grafit statt Gold
Das Herzstück jeder Brennstoffzelle sind Bipolarplatten.
Singulus will Produktions-Maschinen für einen preiswerte Massenproduktion von eben diesen Bipolarplatten entwickeln. Bipolarplatten sind das bislang noch sehr teure Herzstück für jede Wasserstoff-Brennzelle.
Die Bipolarplatten aus Stahlblech, an deren Oberfläche die chemische Reaktion zur Bildung des Wasserstoffs stattfindet, werden bislang noch weitgehend mit Gold beschichtet.
Singulus sieht die Chance, Maschinen zum Auftragen günstigerer Beschichtungen entwickeln zu können.
Grafit statt Gold: Die wissenschaftliche Vorarbeit dafür kommt vom Fraunhofer-Institut
Mit dem Fraunhofer-Institu hat Singulus bereits 2014 im Solar-Projekt INNOHEIT ein neuartiges Fertigungskonzept samt Anlagentechnologie für Heterojunctionzellen entwickelt, welches Stromgestehungskosten von weniger als zehn Cent pro Kilowattstunde bei Installationen in Mitteleuropa ermöglichen soll.
Grafit leitet so gut wie Gold und ist nur halb so teuer
Damit Wasserstoff-Laster künftig als umweltfreundlichere Alternative zu Diesel-Brummis massenhaft einsetzbar sind, hat das Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden und Dortmund ein besonders schnelles und billiges Fertigungsverfahren für eine Kernkomponente der Brennstoffzellen-Antriebe entwickelt:
Statt mit Gold beschichten sie die Bipolarplatten in den mobilen Mini-Kraftwerken mit hauchdünnem Kohlenstoff. Diese Grafitschicht ist nur noch halb so teuer wie der Goldbelag, ermöglicht ein höheres Fertigungstempo und letztlich eine billigere Massenproduktion von Brennstoffzellen. Die Projektpartner Daimler und das finnische Stahlunternehmen „Outokumpu Nirosta“ wollen die Technologie in der Praxis einsetzen.
Fraunhofer: „Nationaler Aktionsplan Brennstoffzellen-Produktion“
Die Entwicklungsergebnisse zur kostengünstigen, automatisierten Massenproduktion von Brennstoffzellen fließen ein in den „Nationalen Aktionsplan Brennstoffzellen-Produktion“ der Fraunhofer-Gesellschaft.
Fraunhofer bündelt hier in fünf dezentralen Clustern in Baden-Württemberg, Bayern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen die Forschungskompetenzen und -initiativen von insgesamt 20 Fraunhofer-Instituten.
Das föderale Konzept setzt auf vorhandene Infrastrukturen und ermöglicht es Unternehmen aus ganz Deutschland, aber auch international, von den Forschungsprojekten zu profitieren und einen schnellen Technologietransfer zu erzielen.
„Ich verstehe uns bei Fraunhofer als Katalysator für industrielle Innovation. Ein Katalysator erhöht die Reaktionsgeschwindigkeit, wir können die Innovationsgeschwindigkeit unserer Partner erhöhen“, sagt Dr. Teja Roch, Projektgruppenleiter im Dortmunder OberflächenCentrum DOC®.
Singulus braucht also nur auf die Forschungsergebnisse zuzugreifen und kann sich mit seinen Maschinen am Markt einbringen.
Vorher „Bilanz stabilisieren“
„Aber vorher müssen wir unsere Bilanz stabilisieren“, sagte Singulus-Finanzvorstand Diplomökonom Markus Ehret (54) aus Kronberg am 27. August 2021 dem Frankfurter Finance-Magazin.
Für zusätzliches Kapital sollen nun die Singulus-Anleihegläubiger, die Singulus im Jahr 2016 für nunmehr zehn Jahre 12 Millionen Euro borgten, den Weg freimachen.
Nur, wenn sie temporär auf ihr Sonderkündigungsrecht verzichten, kann Singulus einem neuen Geldgeber die nötigen Sicherheiten anbieten.
Die Entscheidung fällen die Anleihe-Gläubiger am 28. Oktober 2021 im Hotel Le Méridien Frankfurt bei einer Präsenz-Gläubigerversammlung.
Um das Finanzierungsproblem zu lösen, plant Singulus laut einer Ad-hoc-Mitteilung nun in einem ersten Schritt, das Kapital herabzusetzen, um Wertminderungen auszugleichen und sonstige Verluste zu decken. Dazu werden Aktien im Verhältnis 17 zu 3 zusammengelegt. In einem zweiten Schritt sollen die Aktionäre das zuvor herabgesetzte Kapital wieder erhöhen – und zwar durch eine Bareinlage von bis zu 13,6 Millionen Euro.
Finanzinvestor steht bereit
Für den Fall, dass die Altaktionäre die durch die Kapitalerhöhung neu entstandenen Aktien nicht vollständig zeichnen, steht ein Finanzinvestor bereit, um die Anteile zu übernehmen. Weil durch die Beteiligung des Investors die Kontrolle des Unternehmens wechseln könnte, braucht Singulus neben der Zustimmung der Aktionäre auch grünes Licht von den Gläubigern seiner Unternehmensanleihe. Daher soll nicht nur eine Hauptversammlung, sondern auch eine Gläubigerversammlung stattfinden.
Bei einem Nein der Anleihe-Gläubiger könnte Singulus weder die Auftragsbücher abarbeiten, weil die bestellten Maschinen im zweistelligen Millionenbereich ja erst mal vorfinanziert werden müssen. Und erst recht könnte Singulus keine Maschinen für die Beschichtung von Bipolarplatten entwickeln, um künftig am Wasserstoffboom teilzuhaben.
Der Wasserstoffboom ist schon da
Bei Langstrecken-Trucks mit 1.000 Kilometern ohne Zwischenstopp beispielsweise ist dieser Boom bereits jetzt schon in vollem Gange.
Die Stuttgarter Daimler Truck AG enthüllte am 16. September 2020 in Berlin ihren Brennstoffzellen-Lkw Mercedes-Benz GenH2 Truck auf Basis des neuen Actros, der es mit einer Leistungsspitze von mehr als 815 PS auch bei 40 Tonnen Ladung locker mit jedem Diesellaster aufnehmen kann.
Dabei setzt Mercedes im Gegensatz zum Einsatz in Pkw, wo Gas-Wasserstoff unter starkem Druck gespeichert wird, auf Flüssigwasserstoff.
Seit April 2021 läuft ein erster GenH2-Prototyp im internen Test bei Mercedes, noch in diesem Jahr soll der Versuchsträger auf öffentlichen Straßen fahren und dort Erfahrungen sammeln.
Zwei Jahre später, ab 2023, geht der GenH2-Truck dann in die Kundenerprobung, wie es bereits der E-Actros vorgemacht hat. 2027 schließlich soll der Fernverkehr-Lkw mit Wasserstoffantrieb in Serie gehen. Ab 2039 soll zumindest in Europa der Diesel-Laster bei Mercedes Geschichte sein.
Mit einem Joint Venture Cellcentric von Volvo Trucks und Daimler Trucks soll eine Brennstoffzelle für schwere Lkw zur Serienreife gebracht werden.
Cellcentric hat die Ambition, einer der weltweit führenden Hersteller von Brennstoffzellensystemen zu werden
Dafür plant das Unternehmen, eine der größten Serienproduktionen von Brennstoffzellensystemen in Europa aufzubauen. Der Produktionsstart ist für 2025 vorgesehen.
Nicht unerwähnt bleiben darf im Zusammenhang mit Brennstoffzellen-Lkw auch die von der Daimler Truck AG und Shell New Energies NL B.V. (Shell) im Mai 2021 vereinbarte Zusammenarbeit. Die beiden Partner planen den Aufbau einer Wasserstoff-Tankinfrastruktur und die Einführung von Brennstoffzellen-Lkw in Europa.
Der Grund, warum sich Wasserstoff-Antriebe bisher noch nicht durchsetzen konnten, liegt nämlich unter anderem am sehr dünnen Wasserstoff-Tankstellennetz, aber auch an den recht hohen Produktionskosten von Brennstoffzellen. Welche die Singulus mit ihren Maschinen senken will. (FM)
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