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Mit ihrer Pilotanlage für einen Garten Eden in Green-Domes (zu Etagen-Gewächshäusern umgebaute Hochsee-Container mit Solardach, die man auch als Tiny House nutzen kann) hat die Schweizer MABEWO AG aus Küssnacht am Rigi (bekannt wegen der hohlen Gasse aus Friedrich Schillers Drama Wilhelm Tell) beim hessischen Bio-Bauern Stefan Ruckelshaußen (56) in Groß-Gerau im Rhein-Main-Gebiet gleich vier Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
► Bauer Ruckelshaußen kann seine Gummistiefel an den Nagel hängen, weil es in den Gemüse-Hochbeeten in den Containern keinen Matsch mehr gibt.
► Und der Bauer, der auf seinem Ackerland auch noch eine im Jahr 2007 von der Stadt errichtete Biogasanlage betreibt, kann seine neuen Gemüse-Container (sechs an der Zahl) auf seinem Hof mit eigenem Biostrom und eigenem Bio-Dünger aus seiner Biogasanlage beliefern. Ein Drittel des benötigten Stroms für das Gemüsewachstum erzeugt der Container selbst mit seiner Solaranlage auf dem Dach.
► 90 Prozent Wasser spart der Container-Gemüse-Gärtner Ruckelshaußen sowieso gegenüber dem herkömmlichen Gemüseanbau, weil die Pflanzen hydroponisch versorgt werden, also in einer Nährstofflösung stehen.
► Es gibt keine herkömmlichen Ernte-Pausen. Da die Temperatur in den Solar-Domes alias Green-Domes konstant zwischen 18 und 22 Grad Celsius liegt, können Microgreens wie die Kresse 40 Mal im Jahr geerntet werden. Selbst gewöhnliche Gewächshäuser schaffen diesen Ausstoß nicht.
Im September 2021 war Spatenstich für das Fundament der ersten Schweizer Gärtner-Module in Deutschland.
Aus diesem Anlass postete Ruckelshaußen eine Woche später am 5. Oktober 2021 auf Facebook: „Was umgangssprachlich als ‚Kresse‘ bekannt ist, wird in unserer Indoor-Farm bald in vielen grünen & bunten Varianten & Sorten wachsen. Die gesunden Microgreens (Jungpflanzen im Keimblattstadium) stecken voller Vitalstoffe und wachsen in unserem Green-Dome jahreszeitenunabhängig.“
Im Februar 2022 kam noch ein mobiler Hühnerstall dazu.
Nun beliefert Bauer Ruckelshaußen seine Kundschaft (Hofläden, Restaurants – ein eigener Hofladen ist auch in Arbeit) im Rhein-Main-Gebiet sowohl mit frischen Eiern als auch mit frischem Gemüse, Kräutern und Pilzen – jeden Tag, unabhängig von Wetter, Jahreszeit, tierischen Räubern und Schädlingen.
Die deutsche Bürokratie hinkt der Innovation dieses vertikalen Gemüseanbaus in Containern noch ein bisschen hinterher. Biolandwirt Stefan Ruckelshaußen darf auf seine chemiefreien Produkte nicht Bio raufschreiben, weil die Pflanzen keinen Kontakt mehr zu einem Acker haben.
Der Schweizer Entrepreneur aus Steinhausen, Umweltingenieur (Universität für Bodenkultur Wien) und MABEWO-CEO Jörg Trübl freut sich dennoch, dass er 2020 mit der MABEWO AG aus Küssnacht am Rigi zu 90 Prozent bei der deutschen Food & Energy Campus Groß-Gerau GmbH von Bauer Stefan Ruckelshaußen eingestiegen ist.
Damit kommt er dem Namens-Ziel der 2019 gegründeten MABEWO AG ein Stück näher. MABEWO steht für Make a better world – Mach die Welt besser.
Trübl: „Die MABEWO AG hat es sich zur Aufgabe gemacht, neue Wege zu gehen und innovative Lösungen umzusetzen – gerade dort, wo es schwierig ist.“
Der Chef-Biobauer der neuen Generation auf dem Container-Hof der MABEWO AG in Groß-Gerau ist der Berliner Thomas Bless
„Born and raised in Berlin“, hat es Thomas Bless Anfang Oktober 2021 ins hessische Ried gezogen. Der Grund: Der innovativer Campus mit seinen Indoor-Farming-Modulen, in denen er aus Samen nährstoffreiche Microgreens und Kräuter zieht. In einem ausgeklügelten Technik-Nährstoff-Kreislauf-System, das die Schweizer Mutter Mabewo AG entwickelt hat – und gemeinsam mit Thomas stetig weiterentwickelt.
Der 31-Jährige hat Horticulture Sciences studiert, also Gartenbau mit Schwerpunkt für neue Anbaumethoden.
Sein liebstes Green: „Mizuna hat mich gecatcht“
Von Thomas Bless behaupten seine Kollegen, dass er ein Genussmensch ist. Frische Kräuter und Greens spielen bei der Zubereitung seiner Mahlzeiten immer eine Rolle: Er liebt Spaghetti Aglio e olio, verfeinert mit frischer Petersilie und Basilikum. Auf seiner Pizza darf Rukola nicht fehlen. Salat ißt er, wann immer möglich – am liebsten getoppt mit Microgreens. „Mizuna hat mich gecatcht“, gerät er ins Schwärmen über das „senfige Kraut“ und baut es auch deshalb auf dem Food & Energy Campus Groß-Gerau an.
Im Frankfurter Rhein-Main TV sagte Bless im März 2022: „Es geht darum, dass selbst diese kleinen Pflanzen schon so viel Intensität, so viel Geschmack haben, wo man sich denkt, oh krass. Wenn ich zum Beispiel eine Möhre habe, da schmecken schon diese kleinen fedrigen Blätter sehr nach Möhre. Und das geht auch bei Rettich oder Senf so. Das ist einfach faszinierend. Speziell für die exquisite Küche, wo man das als Topping einfach obendrauf setzen kann und dadurch noch eine ganz andere Geschmacksnuance bekommt.“
Als potenzielle Kunden hat der Campus verschiedene Restaurants im Blick
Man wolle die Hotels und Restaurants auch zu eher ungewöhnlichen Microgreens beraten – etwa könne Brokkoli geerntet werden, bevor er eine Frucht entwickle. „Wir wollen zeigen welche Möglichkeiten wir bieten, die es im Großmarkt so nicht gibt“, sagt Ruckelshaußen. Auch ein Onlineshop sei geplant. Außerdem will der Food & Energy-Campus 2023 bei der Bundesgartenschau in Mannheim ausstellen.
Ruckelshaußen sieht die nahe Zukunft der Landwirtschaft so: „Die Landwirtschaft wird in Zukunft stärker digitalisiert werden. Die normalen Anbauverfahren der Landwirtschaft, die werden weiter bestehen bleiben mit viel mehr Auflagen. Es wird aber irgendwann die Zeit kommen, wo der Verbraucher sieht, dass das, was er möchte, nicht ausreicht, um ihn dann zu ernähren. Es gibt immer ein nice to have. Und ein: Das brauche ich ganz dringend. Ich fürchte, dass wir auf dieses Ich brauche das ganz dringend wieder zugreifen müssen. Und wir uns ein nice to have nicht mehr erlauben können.“ (FM)