Europäische Union will Weg für 565 Milliarden Euro teure Überholung vom Stromnetz ebnen. Die Erneuerung der Netze wird dazu beitragen, die Abhängigkeit von russischer Energie zu beenden und die Nutzung erneuerbarer Energien zu fördern.

Stromnetz soll europaweit vereinheitlicht und digitalisiert werden

Die Exekutive der Europäischen Union wird einen Plan zur Digitalisierung ihres Energienetzes vorlegen, um den Ausbau der erneuerbaren Energien voranzutreiben und die Abhängigkeit von russischen Brennstoffen zu verringern. Die jüngsten Ereignisse treiben den Aktionsplan zusätzlich an. Der Aktionsplan „Digitalisierung des Energiesystems„, der nächste Woche von der Europäischen Kommission vorgestellt werden soll, wird bis zum Ende des Jahrzehnts Investitionen in Höhe von 565 Milliarden Euro in das Stromnetz erfordern, um die grünen Pläne zu verwirklichen und die Abhängigkeit von Russland zu beenden.

Der Vorschlag sieht vor, die gemeinsame Nutzung von Daten über den Stromverbrauch und Stromeinspeisung ab 2024 zu fördern, um die Flexibilität der Energiemärkte in der Region zu erhöhen, indem beispielsweise Solaranlagen und Elektrofahrzeuge Strom in das Netz zurückspeisen können und diesen digital melden können um Abnehmer zu finden. In Zukunft könnte es also möglich sein, sein E-Auto oder Energiespeicher als Zwischenlager zu vermieten. Eine regionsübergreifende Zusammenarbeit von staatlichen und privaten Einrichtungen ist für ein neues, smartes Stromnetz erforderlich. Im Moment laufen die Geschäfte zwischen den Staaten über Strombörsen, auf denen in letzter Zeit extreme Preisschwankungen zu beobachten waren.

Das europäische Ziel soll es sein bis zum Jahr 2027 Solarzellen auf den Dächern aller gewerblichen und öffentlichen Gebäude und bis zum Jahr 2029 auf allen neuen Wohngebäuden zu installieren und in das Stromnetz zu integrieren. In dem Aktionsplan wird außerdem gefordert, in den nächsten fünf Jahren 10 Millionen Wärmepumpen zu installieren und bis 2030 30 Millionen emissionsfreie Fahrzeuge auf die Straße zu bringen um unabhängiger zu werden. Da Russland die Gaslieferungen einschränkt und Kraftwerksausfälle das Angebot weiter verknappen, sind die Großhandelspreise für Energie in den letzten fünf Jahren auf mehr als das Zehnfache ihres saisonalen Durchschnitts angestiegen.

Längst überfälliges Konzept

„Die russische Invasion in der Ukraine und die derzeit hohen Energiepreise haben die Notwendigkeit und das Tempo, mit dem die EU ihre Unabhängigkeit von russischen Importen fossiler Brennstoffe sowie ihre strategische Souveränität und Sicherheit bei der Schaffung eines digitalen Stromnetzes erhöht, nur noch verstärkt“, heißt es in dem Aktionsplan, der noch geändert werden könnte. Die Technische Universität Berlin hat mit „Bits & Bäume“ seit dem Jahr 2018 eine wachsende Plattform geschaffen, um neue Konzepte für ein smartes Stromnetz zu entwickeln.

Konkurrenzkampf, Börsenhändler und schlechte Infrastruktur hat in der Vergangenheit zu absurden Ereignissen geführt. Drehen sich die Windräder in Deutschland an einem sonnigen Tag, laufen die Leitungen im europäischen Stromnetz heiß und die Preise an den Strombörsen brechen ein. Hält der Zustand länger an, muss der Stromerzeuger, also der Solarzellen- oder Windradbesitzer drauf zahlen, damit er seinen Strom los wird. Die Deutsche Bahn schaltete deswegen im Sommer schon die Schienenheizung ein und verdient damit noch Geld.

Die Schweiz und Österreich hat eine gute Anbindung an das deutsche Stromnetz und kauft fröhlich den Strom, um die Pumpspeicherkraftwerke in den Gebirgen zu füllen und den Strom bei Bedarf wieder teuer an uns zurück zu verkaufen. Beide Länder produzieren ca. 60 % ihres Strombedarfs aus Wasserkraft, in den Wintermonaten deutlich weniger. Deutschland verfügt ebenfalls über 2 ähnlich große Pumpspeicherkraftwerke, die jeweils mit einer Leistung von 1 Gigawatt an die Leistung von einem Atomkraftwerk ankommen. Pumpspeicherkraftwerke können ein Grundlastbeitrag liefern wie Kohle- oder Gaskraftwerke und lass sich zudem sehr viel schneller ein- und ausschalten. Weitere Pumpspeicherkraftwerke sind in Planung, aber können die drohende Energiekrise in diesem Jahr nicht abwenden.

Windräder bleiben oft stehen, damit Stromnetz nicht überlastet wird
Windräder bleiben oft stehen, damit Stromnetz nicht überlastet wird

Aktionsplan: Digitalisierung des Europäischen Energiesystems

Der Aktionsplan ist die letzte in einer Reihe von Maßnahmen, die die EU vorgeschlagen hat, um sich vom russischen Gas zu lösen und den Übergang zu erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Da die Energienachfrage in der Region steigt, ist ein widerstandsfähigeres Stromnetz erforderlich, das sich an Solar- und Windtechnologien anpassen kann, die je nach Wetterlage variieren können, und gleichzeitig den Strom dorthin leitet, wo er in der Region am meisten gebraucht wird.

Die Kommission plant am 28. September ein Dokument veröffentlichen, in dem sie Schritte zur Verringerung der Volatilität und zur Erhöhung des Handelsvolumens auf den Energiemärkten vorschlägt, nachdem die stark gestiegenen Preise zu einem enormen Anstieg der Nachschussforderungen geführt haben. Am 30. September werden die Energieminister über Vorschläge beraten, die darauf abzielen, eine Mitnahmeabgabe für Stromerzeuger mit niedrigen Kosten zu erheben und die Stromnachfrage insbesondere während der Spitzenzeiten zu senken. Am 1. und 2. Oktober findet die Konferenz “Bits & Bäume” mit über 200 Beiträgen und 2.000 Teilnehmern aus der Wissenschafft statt.

Die EU wird bis März eine Gruppe einrichten, die den Austausch von Energiedaten zwischen den Mitgliedstaaten und Unternehmen verbessern soll. Die EU wird außerdem die Übertragungsnetzbetreiber dabei unterstützen, einen „digitalen Zwilling“ des Stromnetzes zu schaffen, um dessen Effizienz zu steigern. Um das Netz vor Cybersicherheitsrisiken zu schützen, wird die Kommission eine Verordnung vorschlagen, die sich mit der Bedrohung der Wasserstoff– und Gasinfrastruktur befasst, wobei jedoch kein fester Zeitplan genannt wird.

(TB)