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Mieterhöhung von 15 Prozent oder 20 Prozent sollen helfen den Wohnungsmangel und die Wohnungsnot in Deutschland zu bekämpfen. Die Frage die sich hierbei für viele stellt, wie sollen höhere Mieten dem Wohnungsmarkt helfen, wenn laut offiziellen Schätzungen zufolge in Deutschland ca. 700.000 Wohnungen fehlen, das größte Wohnungsdefizit seit mehr als 20 Jahren. Prof. Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung – IREBS Instituts für Immobilienwirtschaft (Universität Regensburg) und zwei weitere Wissenschaftler sprechen über knappen Wohnraum und die dafür notwendigen Anreize den Immobilienerwerb für die Bürger zu erleichtern. Vorgeschlagen wird im Gespräch mit dem Handelsblatt eine Lösung – Mieterhöhung – für eine gerechtere Verteilung der bereits vorhandenen Mietwohnungen in Deutschland. Der Standpunkt ist, dass man keine neuen Wohnungen benötigen würde, sondern man müsse den vorhandenen Wohnraum besser nutzen und gerechter verteilen. Der Mieterhöhung-Vorschlag beeinhaltet auch, zusätzliche Gewinne aus der Vermietung in Form eines Vermieter-Solidaritätszuschlag abzuschöpfen.
Mieterhöhung – als Lösung für fehlende Wohnungen
Der Wohnungsmangel in Deutschland ist offensichtlich. Laut offiziellen Angaben fehlen zur Zeit ca. 700.000 Wohnungen. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht. Der Immobilienkonzern Vonovia stoppt alle für 2023 vorgesehenen Neubauprojekte. Der Vonovia-Vorstand Daniel Riedl im Gespräch mit der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung: „Wir werden in diesem Jahr keinen Beginn von Neubau-Projekten haben. Die Inflation und die Zinsen sind enorm gestiegen, und davor können wir nicht die Augen verschließen“. Der Sprecher des Gesamtverbands der deutschen Wohnungswirtschaft Axel Gedaschko sagte im Interview mit der Bild-Zeitung: „Es droht ein Absturz mit Ansage, die Regierung wird ihr Wohnungsziel krachend verfehlen“. Nach seinen Aussagen könnte man im Wohnungsneubau in Deutschland in diesem Jahr mit nur rund 200.000 neu gebauten Wohnungen rechnen. Für 2024 erwartet Gedaschko dann noch weniger Neugebaute Wohnungen.
Wohnungsmagel in Deutschland – Wohnungsneubau stockt
Das Statistische Bundesamt schreibt in seiner Pressemitteilung: „Die Bundesregierung hat sich das Ziel von jährlich 400.000 neuen Wohnungen in Deutschland gesetzt. Im Jahr 2021 wurden in Deutschland 293.393 Wohnungen fertiggestellt. Der seit 2008 anhaltende Anstieg des Bauüberhangs beschleunigte sich somit im Jahr 2021 und erreichte den höchsten Stand seit 1996. Es entstand wegen Materialknappheit, hoher Preise und Personalmangel ein aktueller Bauüberhang von ca. 847.000 genehmigten, aber nicht fertiggestellten Wohnungen in Deutschland.
Die von der Regierung aktuell geforderten Umstellungen von Heizungen (Gas- und Ölheizungsverbote) und der von der Europäischen Union beschlossenen Energiestandard D führen zu einer weiteren Verknappungen von Wohnraum der zur Verfügung gestellt werden kann, zusätzlich ist hier ebenfalls mit drastischen Mieterhöhung zu rechnen. Die meisten Wohnungen in Deutschland fehlen in den Städten Berlin, Hamburg und Köln. Nach offiziellen Schätzungen fehlen allein in 77 deutschen Großstädten fast zwei Millionen bezahlbare Wohnungen für den Durschschnittsverdiener (Die Armutsgrenze in Deutschland liegt bei ca. 3.600 Euro für eine Familie mit 2 Kindern). Wie groß die Wohnungsnot in Deutschland ist, wird deutlich, dass auch hier Housing First Projekte vorangetrieben werden. Die Linken haben aus diesem Grund einen Antrag mit dem Titel „Eine eigene Wohnung als Start für die Wohnungslosenhilfe – Housing First bundesweit etablieren“ eingebracht. In Deutschland gibt es ca. 263.000 Wohnungslose und ca. 40.000 Obdachlose – laut offizieller Statistik.
Durch die Migration wird der Wohnungsmarkt außergewöhnlich belastet: Nach der aktuellen Schätzung kamen 1,42 bis 1,45 Millionen Menschen mehr nach Deutschland, als ins Ausland fortzogen. Damit war die Nettozuwanderung 2022 mehr als viermal so hoch wie im Vorjahr (329.163).
Mieterhöhung bis 20 Prozent – als Lösung für den Immobilienmarkt
Prof. Steffen Sebastian und Prof. Dr. Jürgen Kühling (beide von der Universität Regensburg) und Prof. Dr. Sebastian Siegloch (Universität zu Köln) haben einen Vorschlag erarbeitet, und schlagen Mieterhöhungen von 15 bis 20 Prozent vor. Wie das Handelsblatt berichtet, schlagen die Wissenschaftler diese radikale Lösung für den Immobilienmarkt vor, um den Wohnraum gerechter zu verteilen. Prof. Steffen Sebastian: „Es braucht keine neuen Wohnungen, die vorhandenen müssten nur besser verteilt werden. Um das zu erreichen, sollen Mieter mit günstigen, alten Mietverträgen deutlich mehr zahlen und dadurch motiviert werden, Platz zu machen für Familien. Die Gewinne, die die Vermieter durch die höheren Mieten einnehmen, sollen über einen Vermieter-Soli abgeschöpft werden und als Wohngeld an deutlich mehr Menschen fließen als bisher“.
Vermieter-Solidaritätszuschlag
Prof. Steffen Sebastian im Handelsblatt: „Mieter mit geringen Einkommen müssen geschützt werden, nicht Mieter mit niedrigen Mieten“. Die Professoren schlagen vor, das zusätzliche Miet-Gewinne in Form eines Vermieter-Solidaritätszuschlags abgeschöpft werden sollen. Dieses Geld sollte dazu verwendet werden, deutlich mehr Menschen als bislang ein Wohngeld oder eine vergleichbare Unterstützung zu zahlen.
Mieterhöhung – Kritik zum Vorschlag
Melanie Moritz vom Deutschen Mieterbund zum Vorschlag der Professoren im Gespräch mit dem Handelsblatt: „Jegliche Maßnahmen zur Erhöhung der ortsüblichen Vergleichsmiete, die zur weiteren Erhöhung der Mietspiegelmieten führen, lehnen wir insbesondere in Zeiten angespannter Wohnungsmärkte und drastischer Mietenexplosion deutlich ab“.
Ein Userkommentar auf Reddit zum Vorschlag der Professoren:
Das Problem ist schon gut beschrieben. Aber diese Lösung geht in die falsche Richtung. Die hohen Neuvermietungspreise zwingen quasi die Leute nicht mehr umzuziehen. Wie soll denn ein Rentnerpaar nun eine passende Wohnung finden? Lösungen wie Wohnungstausch wird nicht funktionieren, weil Vermieter – verständlich- nicht auf die Mietanpassung verzichten werden. Mit der Lösung drängt man ältere Leute nur aus bestimmten Vierteln einer Stadt. Keine tolle Idee.
Kritik kommt auch von Prof. Dr. Ingo Hahn Mitglied im Bayerischen Landtag: „Wie das helfen soll fragen Sie sich? Ganz einfach: die Mieterhöhungen sollen dann nicht dem Vermieter zugute kommen, sondern abgeschöpft und anschließend umverteilt werden. Und zwar an jene Mieter, die sich die Miete nicht leisten können. .. im Endeffekt wird hier über Zwangsumsiedlung und Umverteilung gesprochen. Der Staat soll faktisch die Kontrolle übernehmen und entscheiden, wo die Bürger wohnen dürfen und wo nicht“.
Mieterhöhung – knappes Wohnraumangebot
Prof. Steffen Sebastian im Interview mit Procontra (*Auszug): Frage: „Ein knappes Wohnraumangebot treibt typischerweise die Mieten in die Höhe. Was erwarten Sie hier auf mittlere Sicht„?
Prof. Steffen Sebastian: „Genauer gesagt, führt ein knappes Wohnraumangebot bei hoher Nachfrage zu höheren Mietpreisen. Und die Nachfrage ist durch Migrationsbewegungen nach Deutschland noch gestiegen. Andererseits ist die Kaufkraft vieler Haushalte aufgrund der Inflation gesunken. Das begrenzt die Möglichkeit, immer höhere Mieten zu bezahlen. Eine Mietexplosion ist unwahrscheinlich, zumal diverse Regulierungen – etwa die Mietpreisbremse in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt – einen Anstieg der Mieten stark beschränkt. Unterm Strich sind weitere Mietsteigerungen sehr wahrscheinlich“.
(AH)
Der Städte- und Gemeindebund empfiehlt angesichts der Wohnungsnot in den Metropolen den Umzug aufs Land.
Gerd Landsberg – Hauptgeschäftsführer Deutscher Städte und Gemeindebund:
Es fehlt an Grundstücken, die Baupreise steigen deutlich und es fehlt schließlich auch an Fachfirmen, die Gebäude errichten könnten.
Anm. Ob sich allerdings die Menschen ein Haus auf dem Land noch leisten können, bleibt angesichts der Sanierungsauflagen und Heizungsverbote fraglich.
Das Budget des Bundesministerium für Wohnen und Stadtentwicklung beträgt 7,3 Milliarden Euro
Bündnisses bezahlbarer Wohnraum
Der Bund gibt den finanziellen Rahmen vor: Bis 2026 stehen für den sozialen Wohnungsbau 14,5 Milliarden Euro an Bundesmitteln bereit.
https://www.bmwsb.bund.de/SharedDocs/topthemen/Webs/BMWSB/DE/buendnis-bezahlbarer-wohnraum/buendnis-Artikel.html