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Israel – auf dem Weg zur Diktatur? Ist die Justizreform eine Gefahr für Israels Demokratie? Die Opposition und viele Bürger des Landes sehen die Justitzreform als Angriff auf die Demokratie des Landes. Der amtierende Staatspräsident Israels Jitzchak Herzog hatte bis zuletzt versucht im Streit um die Justizreform zu vermitteln. Der zur Zeit amtierende Ministerpräsident von Israel – Benjamin Netanjahu – und seine Regierungskoalition werfen der Justiz vor, sich aktiv zu sehr in politische Entscheidungen der Regierung einzumischen. Bereits seit Monaten gibt es in Israel massive Proteste gegen die Pläne der Regierung, die Justiz umzubauen und eine Justitzreform zu beschließen. In Tel Aviv formierte sich schließlich aus einigen hunderten Bürgern ein Protestmarsch, der immer größer wurde und schließlich erreichten nach einigen Tagen ca. 70.000 Menschen Jerusalem. Demonstrationen gab es für und gegen die Justitzreform.
Israel – Justizreform bedroht die Demokratie in Israel
Mit der jetzt beschlossenen Justizreform wurde der Oberste Gerichtshof („Supreme Court“) praktisch entmachtet. Für die umstrittene Justizreform in Israel stimmten 64 der 120 Abgeordneten des Knesset (ein Einkammerparlament) – die Opposition boykottierte die Abstimmung. Damit wurde ein Kernelement zum Umbau der Justiz im Land verabschiedet. Künftig soll es dem Höchsten Gericht nicht mehr möglich sein, eine Entscheidung der Regierung oder einzelner Minister als „unangemessen“ zu bewerten. Der Ministerpräsident und das Parlament sollen dafür zukünftig mehr Macht bekommen.
Insbesondere seit den 1990er Jahren hat sich der Oberste Gerichtshof vor dem Hintergrund der Abwesenheit einer Verfassung als wichtige Säule der israelischen Demokratie im Schutz der bürgerlichen Freiheiten und der Rechtsstaatlichkeit hervorgetan. In Bezug auf die Knessetgesetzgebung versuchte das Gericht verstärkt die normative Überlegenheit der Grundgesetze über die gewöhnliche Gesetzgebung mit seinen Entscheidungen zu etablieren.
Der Oberste Gerichtshof und die Knesset
Der Oberste Gerichtshof und die Knesset befinden sich in einem spannungsreichen Dualismus in der Auslegung des Rechts im Staate, denn der Oberste Gerichtshof kann ein Gesetz der Knesset mit einem Grundgesetz für unvereinbar erklären. Insbesondere das religiöse und konservative politische Lager kritisiert die zunehmende Einflussnahme des Gerichtes auf parlamentarische Entscheidungen und sieht die Gesetzgebungsgewalt des Parlaments tangiert.
Israel – ein Grundgesetz aber keine Verfassung
Der Staat Israel hat noch immer keine endgültige Verfassung. Am 13. Juni 1950 beschloss die Knesset die Hariri Resolution, nach der eine Verfassung in Form von einzelnen Grundgesetzen aufgebaut werden soll. Jedes Grundgesetz soll der Knesset einzeln vorgelegt werden. Als quasi verfassungsrechtliche Grundlagen gelten die Unabhängigkeitserklärung vom 14. Mai 1948 und die in den vergangenen Jahrzehnten durch die Knesset verabschiedeten so genannten „Grundgesetze“ („Basic Laws“).
Der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages schreibt dazu: „Der im Jahr 1948 gegründete Staat Israel (Medinat Yisra’el) ist eine parlamentarische Republik mit gesetzgebender, ausführender und rechtsprechender Gewalt nach dem Grundsatz der Gewaltenteilung. Gesetzgebendes Organ ist die Knesset, ein Einkammerparlament, bestehend aus 120 Abgeordneten. Die politischen Befugnisse der Regierung sind weitreichend und beziehen sich auf alle wesentlichen Lebensaspekte in Israel.
Das Gerichtssystem in Israel
Im Rahmen der Gewaltenteilung, die sich am liberalen westlichen Demokratiemodell orientiert, ist die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit (Judikative) in Israel verbürgt. Der Staatspräsident beruft auf Vorschlag eines öffentlichen Ernennungsausschusses die Richter. Das Gerichtssystem in Israel ist in drei Ebenen unterteilt. Der Oberste Gerichtshof („Supreme Court“) ist die höchste landesweite Gerichtshoheit und Israels höchste Berufungsinstanz. Neben der Unabhängigkeitserklärung aus dem Jahr 1948 kommt den „Grundgesetzen“ („Basic Laws“) eine wesentliche Rolle im Rechtssystem des Staates Israels zu. In den bis bisher von der Knesset in den Jahren 1958 bis 2001 verabschiedeten Grundgesetzen werden insbesondere die institutionellen Grundlagen des israelischen Staates festgehalten.
Petition gegen die Justitzreform
Jair Lapid – Politiker der liberalen Partei Jesch Atid und Oppositionsführer hat unmittelbar nach der umstrittenen Verabschiedung der Justitzreform Konsequenzen angekündigt. „Die Opposition werde beim Obersten Gerichtshof („Supreme Court“) eine Petition gegen die „einseitige Aufhebung des demokratischen Charakters des Staates Israels“ einreichen“.
Auch innerhalb des israelischen Militärs gibt es massiven Widerstand. Mehr als Zehntausend Reservisten kündigten an, nicht mehr zum Dienst zu erscheinen, sollte ein Teil der umstrittenen Pläne verabschiedet werden. Der Oppositionsführer Jair Lapid – Politiker der liberalen Partei Jesch Atid appellierte auch an Reservisten der Armee, eine Entscheidung des Höchsten Gerichts über das Gesetz abzuwarten, ehe sie ihren Dienst verweigern.
(AH)
Politiker von Ampel und Opposition warnen vor einer Aushöhlung der Demokratie in Israel. Die Bundesregierung müsse auf die Entwicklung reagieren, heißt es aus der Union.
Die Verabschiedung eines Kernelements der umstrittenen Justizreform in Israel hat auch in Deutschland parteiübergreifend heftige Kritik ausgelöst. Abgeordnete von CDU, SPD und FDP forderten die Bundesregierung angesichts der Entwicklung zum Handeln auf.
https://www.zeit.de/politik/2023-07/israel-justizreform-deutschland-kritik-parteien