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Bundesfinanzminister Christian Lindner will die Rente mit einem Generationenkapital am Aktienmarkt retten und bezeichnet es selbst als die „vielleicht größte Rentenreform seit Bismarck“. Die Kampagne, zur Modernisierung der Rente durch Aktien, wird seit Anfang Dezember durch die PR-Strategen des liberalen FDP-Politikers in den Medien stärker verbreitet, die Ampelregierung ist sich aber nicht ganz einig.
Generationenkapital in Aktien für eine Rente in 50 Jahren
Bundesfinanzminister Christian Lindner will das Kapital für die sogenannte Aktienrente, mit der der Beitragssatz für die gesetzliche Rentenversicherung in Schach gehalten werden soll, deutlich erhöhen. „Wir brauchen mittel- bis langfristig einen dreistelligen Milliardenbetrag, damit sich die Erträge aus der Aktienanlage spürbar auf die Stabilisierung der Rentenbeiträge und des Rentenniveaus auswirken können“, sagte der FDP-Politiker. Für das Jahr 2023 wurde im Haushalt lediglich eine Summe von zehn Milliarden Euro als Startschuss für das Generationenkapital festgelegt.
Die Bestandsrente ist kein Angebot für eine zusätzliche Altersvorsorge, sondern ein Instrument, das starke Beitragssteigerungen in der gesetzlichen Rentenversicherung verhindern soll, die sich mittelfristig aus der demografischen Entwicklung ergeben könnten. Das Verbraucherportal „Finanztip“ hatte errechnet, dass die Aktienanlage des Bundes ein Volumen von mehr als 210 Milliarden Euro haben müsste, um eine Beitragserhöhung von einem Prozent zu verhindern. Es wird davon ausgegangen, dass an der Börse jährliche Renditen von acht Prozent erzielt werden können – was historisch betrachtet zwar richtig, aber keineswegs garantiert ist.
Im Koalitionsvertrag der Ampelregierung ist vereinbart, dass es keine Rentenkürzungen und keine Erhöhung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben wird. „Um diese Zusage generationengerecht abzusichern, werden wir eine teilfinanzierte gesetzliche Rentenversicherung einführen, um das Rentenniveau und den Rentenbeitragssatz langfristig zu stabilisieren.“ In der jungen Generation, die gerade in die Arbeitswelt gestartet ist, wird scherzhaft gesagt, dass man von der eingezahlten Rente später sowieso nichts mehr sieht. Genau da möchte der Bundesfinanzminister ansetzten, indem er ein massives Generationenkapital aufbaut und der aktuellen Generation etwas Hoffnung geben kann.
Generationenkapital für Generation Z
Die Bundesregierung hat ihren Entscheidungsprozess noch nicht abgeschlossen, aber der Finanzminister hat Ideen zur Finanzierung des dreistelligen Milliardenbetrag für das Generationenkapital. Lindner verwies auf die Finanzierung der ersten zehn Milliarden Euro, die vollständig über neue Schulden erfolgen und als Darlehen des Bundes in die neue Aktienreserve fließen sollen. „Wir machen uns zunutze, dass der Staat für seine Anleihen weniger zahlen muss, als die Renditen an den Kapitalmärkten sind“, sagte der Finanzminister. Nach einer Studie aus dem Jahr 2022, belegt Deutschland nur noch Platz 11 für die Lebensbedingungen im Ruhestand.
Obwohl drei von vier jungen Menschen (78 Prozent) Angst vor der Altersarmut haben, setzt ein Großteil auf die gesetzliche Rente, wie die „Jugendstudie 2022“ der Metallrente zeigt. So geben 58 Prozent der Deutschen zwischen 17 und 27 an, der gesetzlichen Rente „eher“ oder „voll und ganz“ zu vertrauen. Dennoch entwickelt die Generation Z, auch Post-Millennials genannt (nach 2000 geboren), ein wachsendes Interesse an Finanzmittel, Altersvorsorge und Investitionsmöglichkeiten für einen sorgenfreien Ruhestand. Nach der Studie der Metallrente sind sich 90 Prozent der jungen Menschen darüber bewusst, dass eine zusätzliche Vorsorge neben der staatlichen Rente notwendig sein wird.
Die gesetzliche Rentenversicherung funktioniert aus demografischen Gründen immer weniger. Immer mehr Rentnerinnen und Rentner stehen immer weniger Beitragszahlern gegenüber. Deshalb muss der Bund hohe Zuschüsse aus Steuermitteln leisten – im Jahr 2022 waren es bereits über 100 Milliarden Euro, rund 30 Prozent der Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung. Das Finanzministerium rechnet hier mit steigenden Bundeszuschüssen, weshalb die Ampel auch die Teilrente plant, für die sie zehn Milliarden Euro bereitstellt. Die Bundeszuschüsse für die Rente müssten unter Kontrolle bleiben, sagte Lindner.
Entlastungen der Rentenkasse frühstens in 15 Jahren
Bundesfinanzminister Christian Lindner will einen dreistelligen Milliardenbetrag auf dem Kapitalmarkt anlegen, um das Rentensystem ab Ende der 2030er Jahre zu stabilisieren. Nach seinen Vorstellungen sollen es zehn Milliarden Euro pro Jahr über einen Zeitraum von 15 Jahren sein, sagte der FDP-Vorsitzende. Es werde Absprachen innerhalb der Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP geben. Er habe den Eindruck, dass es dafür einen gemeinsamen politischen Willen gebe, sagte Lindner. Zuletzt hat sich der FDP-Politiker für den Kampf gegen Geldwäsche stark gemacht.
Es soll gesetzlich vorgeschrieben werden, die Erträge aus den Stiftungsanlagen nicht zu früh am Kapitalmarkt zu entnehmen. Das sollte erst ab 2037 oder etwas später möglich sein. „So viel Zeit brauchen wir als Vorlauf.“ Die Zeit sollte für langfristige Anlagen genutzt werden, um von Zinseszinseffekten zu profitieren. Laut Lindner, der von „Generationskapital“ sprach, sollte die Politik keinesfalls über konkrete Investitionen entscheiden. Hier kommen Profis ins Spiel.
Lindner sprach auf einer Veranstaltung mit der Leiterin des bereits bestehenden staatlichen Fonds zur Finanzierung der nuklearen Entsorgung (KENFO), Anja Mikus, und Finanzakteuren. Dabei wurden auch die Investitionskriterien für das „Generationenkapital“ diskutiert. Die KENFO-Stiftung sollte als unabhängige Partei bei der Anlage der Mittel helfen. Sie sollen langfristig angelegt werden, auch in Aktien. Dabei sollen Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigt werden. Das Risiko für etwaige Verluste trägt der Bund. Der Atomfonds Kenfo, der 24 Milliarden Euro verwaltet, weißt bisher eine durchschnittliche Rendite von 3,8 Prozent pro Jahr auf, im Jahr 2020 waren es 8,3 Prozent und 2021 sogar 10,4 Prozent.
Schweden als Vorbild für Generationenkapital
Die Liberalen hinter Christian Lindner hatten im Wahlkampf dafür geworben, nach schwedischem Vorbild regelmäßig einen Teil der gesetzlichen Rentenbeiträge dem Kapitalmarkt zuzuführen. Dies wäre jedoch zu Lasten des bisherigen Umlagesystems gegangen, bei dem die Erwerbstätigen die Renten der aktuellen Rentnergeneration finanzieren und dadurch dem Rentensystem noch mehr Geld entziehen und die staatliche Subventionierung weiter erhöhen würde.
Zugleich trat der Finanzminister Befürchtungen entgegen, ein Börsencrash könne zu Lasten der Rentner gehen. Man werde nicht in stark schwankende Pennystocks investieren, sagte Lindner. Es gehe um eine „hohe, aber stetige Rendite“ und im schlimmsten Fall muss der Staat sowieso einschreiten. Der von FDP, Grünen und SPD unterzeichnete Koalitionsvertrag sieht eine Reform des Rentensystems der ersten Säule durch Hinzufügung einer kapitalgedeckten Komponente mit einem Anfangskapitalstock von 10 Mrd. Euro vor.
Der deutsche Finanzminister Christian Lindner hat den staatlichen Pensionsfonds AP7 in Schweden im Herbst 2022 besucht, um mehr über das Modell der sogenannten Aktienrente zu erfahren, der genaue Inhalt des Treffens mit dem Pensionsfonds wurde aber nicht bekannt gegeben. Das Finanzministerium teilte in einem Tweet mit, Lindner habe AP7 besucht, um sich über den Fonds und seine Anlagestrategie zu informieren. Die Aktienrente war der Hauptvorschlag der FDP unter Lindners Vorsitz während des Wahlkampfes im letzten Jahr, der sich an Schweden und dem AP7-Fonds orientierte.
Der schwedische Rentenfonds AP7 ist die Standardoption im schwedischen Prämienrentensystem und bildet die erste Säule mit individuellen Konten. Als Arbeitnehmer ist man in Schweden dazu verpflichtet 2,5 Prozent in kapitalmarktbasierte Rentenprodukte, wie Aktienfonds, zu investieren. Die umlagefinanzierten Einkommensrente wie man sie aus Deutschland kennt, erhält 16 Prozent des Bruttolohns. Wer sich in Schweden kein eigenes Rentenprodukt aussucht, investiert automatisch in den AP7. Damit liegt der Beitrag zur Rente in Schweden bei 18,5 Prozent, während in Deutschland der Sozialversicherungsbeitrag zu Rente mit 18,6 Prozent berechnet wird. Dennoch liegt das Rentenniveau in Schweden höher als in Deutschland.
„Der Zweck des Besuchs bestand darin, dem deutschen Finanzminister und seinem Team den AP7 näher zu bringen, der ein hohes Engagement in Aktien und einen Lebenszyklus mit hohem Risiko in jungen Jahren und geringerem Risiko im Rentenalter aufweist“, so Gröttheim, Leiter des schwedischen Pensionsfonds. Er fügte hinzu, AP7 sei stolz darauf, ein gutes Beispiel für Deutschland zu sein. Neben Schweden verfügt das Nachbarland Norwegen ebenfalls über eine massive Aktienrente seit dem Jahr 1990. Der sogenannte Öl-Fond wurde vor allem durch die Gewinne aus Öl-Exporte finanziert und verfügt aktuell über ein Investitionsvolumen von ca. 250.000 US-Dollar für jeden norwegischen Einwohner.
Auf die Frage, welche besonderen Ratschläge AP7 dem deutschen Minister gegeben hat, sagte Gröttheim: „Wir haben darüber gesprochen, wie wichtig es ist, ein Rentensystem mit einer langfristigen Perspektive zu betrachten, und dass es wichtig ist, die Aktienrisikoprämie aufzufangen, um den Sparern eine gute Rente bieten zu können. Die Performance des AP7 kann sich durchaus sehen lassen, denn in den vergangenen 20 Jahren erzielte der Fonds im Durchschnitt 11 Prozent Rendite, während die laufenden Gebühren dabei gerade einmal 0,1 Prozent waren.
(TB)
Der Grünen-Abgeordnete Frank Bsirske lehnt das „Spekulieren“ mit Rentenversicherungs-Beiträgen strikt ab und nennt dies „gefährlich“. Die Linke ist komplett gegen die Aktienrente und fordert stattdessen, dass alle Erwerbstätigen in die gesetzliche Rente einzahlen, also beispielsweise auch Selbstständige und Beamte.
https://www.n-tv.de/wirtschaft/So-soll-die-Aktienrente-funktionieren-article23879439.html