Um die vereinbarten Klimaziele zu erreichen, müssen Gebäude grüner werden. Das ist das erklärte Ziel der Europäischen Kommission und der Bundesregierung. Wie das gelingen kann, ist nicht ganz so klar. Deshalb braucht es Unternehmer, die aus grünen Ideen Produkte werden lassen. Einer von denen ist Marcel Burgstaller, der mit istraw ein Unternehmen gegründet hat, um den Trockenausbau von Gebäuden klimafreundlicher zu machen. Was nach großen Innovationen klingt, basiert auf Stroh. Warum das zusammenpasst, erläutert er im Interview.

 

Business Leaders: Innenausbau bedeutet in Deutschland meist Gipskarton. Was kann Stroh, was Gips nicht kann?

Marcel Burgstaller: Da gibt es eine Menge. Was Gips aber auf keinen Fall kann, ist, CO₂ aus der Atmosphäre zu ziehen und dauerhaft zu binden. Genau das kann Stroh und diese Eigenschaft machen wir uns für einen klimafreundlicheren Innenausbau zunutze. Weil Strohbauplatten nicht nur klimaneutral, sondern sogar klimanegativ sind, lässt sich damit die CO₂-Bilanz anderer Materialien kompensieren, die nicht so einfach durch grünere Varianten ersetzt werden können. Glas ist ein Beispiel dafür. Aber es stimmt, noch dominiert der Gips auf den Baustellen. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland rund 281 Millionen m² gipsbasierte Trockenbauplatten verbaut (rund 251 Mio. m² Gipskarton- und ca. 30 Mio. m² Gipsfaserplatten).

 

Um den Klima-Impact im Gebäudesektor zu erhöhen, braucht es neue Lösungen“, sagt Marcel Burgstaller.

 

Business Leaders: Wie wollen Sie das ändern?

Marcel Burgstaller: Dafür habe ich großartige Helfer, nämlich die EU und die EZB. Investoren und Projektentwickler erhalten heute nur noch günstige Kredite, wenn sie am Bau ökologische Mindeststandards einhalten. In welche Projekte Gelder fließen sollen, ist unter anderem in der EU-Taxonomie definiert. Die Investoren sind also auf grüne Lösungen angewiesen, die sich schnell realisieren lassen, möglichst keine Mehrkosten verursachen und über die gleichen Eigenschaften verfügen. Das ist im Hochbau nicht ganz einfach, auch wenn inzwischen an grünem Stahl geforscht wird und grüner Beton schon gekauft werden kann. Konstruktionsbedingt müssen auch in absehbarer Zukunft Materialien eingesetzt werden, die nicht klimaneutral sind. Um den Klima-Impact zu erhöhen, braucht es also neue Lösungen.

 

Business Leaders: Und die kommen von istraw?

Marcel Burgstaller: Nachhaltigkeit spielt im Gebäudesektor eine immer größere Rolle. Das hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Dadurch sind auch neue Produkte gefragt, die häufig von neuen Akteuren kommen. Wir sind einer dieser Akteure, die neu am Markt sind, aber bereits auf einige sehr erfolgreiche Jahre zurückblicken können. Wir entwickeln die Strohbauplatte weiter, weil ich von deren Überlegenheit überzeugt bin und auch immer mehr Bauherren davon überzeugen kann. Inzwischen können wir mit istraw auf über 1.000 Referenzprojekte verweisen, in denen Strohbauplatten zum Einsatz gekommen sind. Teilweise auch mit sehr anspruchsvollen Anforderungen, die alle gemeistert wurden. Deshalb kann ich heute behaupten, dass die Strohbauplatte andere Baumaterialien für den Innenausbau ohne Einschränkungen ersetzen kann.

istraw - Strohbauplatten
Der Markt für Strohbauplatten wächst stetig. Deshalb will Marcel Burgstaller die Produktionskapazitäten von istraw zügig ausbauen.

Business Leaders: Welche Anforderungen müssen dabei erfüllt werden?

Marcel Burgstaller: Das ist ganz unterschiedlich und hängt unter anderem von der Art des Gebäudes ab. Im Wohnungsbau sollte ein angenehmes Raumklima herrschen, in öffentlichen Gebäuden gelten beispielsweise hohe Anforderungen an den Brandschutz. Die Akustik und der Schallschutz müssen im Innenausbau ebenso berücksichtigt werden, wie der Schutz vor Feuchtigkeit. Im Inneren von Gebäuden spielt auch die Verkabelung eine große Rolle. Über allem steht dann auch noch der Preis – es darf nicht wesentlich teurer werden. Und nicht zuletzt müssen die Materialien auch in großen Stückzahlen verfügbar sein. Gerade dieser Aspekt wird bei grünen Innovationen gerne vernachlässigt.

 

istraw denkt auch an den Output, denn grüne Innovationen müssen in großen Stückzahlen verfügbar sein, um erfolgreich zu sein

 

Business Leaders: Wie sind Sie denn auf Stroh als geeignetes Baumaterial gekommen?

Marcel Burgstaller: Dazu muss man wissen, dass Stroh ein altes Baumaterial ist. Der Blick zurück auf traditionelle Baumaterialien und Techniken des Hausbaus kann wertvolle Impulse liefern. Tatsächlich haben unsere Vorfahren schon gute Arbeit geleistet und mit einfachen Mitteln sehr wirksame Methoden und Materialien eingesetzt. Ich bin im Rahmen eines Projekts auf Stroh aufmerksam geworden. Mein Auftrag war es, ein Haus nach hohen ökologischen Standards zu bauen. Bei den Recherchen bin ich dann relativ schnell auf Stroh gestoßen. Eine Möglichkeit ist der Einsatz von Strohballen, mich haben aber vor allem die Strohbauplatten interessiert. Die waren übrigens in den 1970er-Jahren schon mal sehr verbreitet. In Zukunft werden sie wieder eine bedeutendere Rolle spielen.

 

Business Leaders: Sie können sich Strohbauplatten als neuen Standard im Innenausbau vorstellen. Was muss dafür passieren?

Marcel Burgstaller: Es braucht vor allem hohe Stückzahlen, das bedeutet, wir müssen unser Geschäftsmodell und die Herstellung von Strohbauplatten schnellstmöglich skalieren. Unsere Kunden sind vor allem große Projektentwickler und Wohnungsbaugesellschaften. Menge und Zuverlässigkeit sind für unsere Kunden von entscheidender Bedeutung. Damit wir das auch in Zukunft leisten können, bauen wir unser Netzwerk mit Lizenzpartnern weiter aus. Das sind Landwirte, die ihre überschüssigen Strohvorräte einsetzen wollen, oder sind Bauunternehmen, die vor Ort – auch mitten in der Stadt – eine Produktionsanlage installieren und so ihre Großbaustellen ohne weiteren Logistikaufwand beliefern können. Das spart nicht nur Kosten, sondern zahlt ebenso auf den Klimaimpact der Strohbauplatten ein.

Marcel Burgstaller erhält den Vonovia Innovationspreis
2022 erhielt Marcel Burgstaller unter anderem für die istraw Strohbauplatten den Vonovia Innovationspreis. © vonovia

Business Leaders: Die Produkte von istraw werden also zukünftig auf mehr Baustellen zu finden sein.

Marcel Burgstaller: Davon gehe ich aus. Unser Unternehmen wächst kontinuierlich und ist längst profitabel. Die Auftragsbücher sind gut gefüllt und nahezu täglich kommen neue Anfragen dazu. Wir stehen mit istraw also an einem Wendepunkt. Es geht jetzt darum, das Unternehmen auf ein neues Level zu heben. Wir müssen neue Anlagen bauen, den Vertrieb ausweiten und effiziente Verwaltungsstrukturen schaffen. Dieses Wachstum benötigt frisches Geld, aber vor allem mehr Manpower. Dafür sind wir auch bereit, zwei oder drei neue strategische Investoren aufzunehmen. Die Branche hat längst auf Nachhaltigkeit umgestellt. Jetzt geht es darum, Erwartungen und Anforderungen auch zu erfüllen.

 

Marcel Burgstaller bleibt ein Reisender in Sachen Stroh

 

Business Leaders: Welches sind die nächsten Schritte für istraw und für Sie persönlich?

Marcel Burgstaller: Das Wichtigste wird der Ausbau der Produktionskapazitäten sein. Da werden wir in den nächsten Monaten auch einen deutlichen Fortschritt sehen, bei Anlagen, die dann in Betrieb gehen. Gleichzeitig entwickeln wir die Produkte weiter und erweitern damit unser Angebot, um auf noch mehr Kundenbedürfnisse eingehen zu können. Wir werden in Zukunft also ein breiteres Angebot an Strohbauplatten sehen. Ich selbst werde wohl noch eine Weile als Reisender in Sachen Stroh unterwegs sein.

(TF)

Lesen Sie auch die Interviews mit Marcel Burgstaller auf SCOREDEX „Marcel Burgstaller – istraw – Baumaterialien aus Stroh“ und SQUAREVEST „Marcel Burgstaller im Interview – Der Strohmann“.