Beim Klimaschutz gerät zunehmend die Bauwirtschaft in den Fokus. Sie wird für rund 30 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich gemacht und soll rund 40 Prozent des Müllaufkommens verursachen. Die Branche sucht nach Lösungen, die nicht selten von neuen Akteuren kommen. Eines dieser aufstrebenden Unternehmen ist die in Stuttgart ansässige TRIQBRIQ AG. Vorstand Max Wörner erläutert im Gespräch die Vorteile von zirkulären Baustoffen und warum seine BRIQS an Legosteine erinnern.
Business Leaders: TRIQBRIQ setzt auf Holz als nachhaltigen Baustoff. Was unterscheidet Ihr System von der herkömmlichen Holzbauweise?
Max Wörner: Da gibt es ein paar Punkte, die in unserem System anders sind. Trotzdem erhalten wird die Vorteile der Holzbauweise, beispielsweise das gesunde und als angenehm empfundene Raumklima. Gleichzeitig sind wir mit unserem System technologieoffen, das bedeutet wir sind mit anderen am Bau verwendeten Systemen kompatibel.
Ein wesentlicher Unterschied ist der Rohstoff, also das von uns verwendete Holz. Im Gegensatz zur herkömmlichen Holzbauweise benötigen wir kein hochwertiges, makelloses und dadurch auch teureres Holz. Für unsere BRIQS, so nennen wir unsere Bausteine, nutzen wir das deutlich preiswertere Kalamitätsholz. Damit sind Hölzer gemeint, die eine Beschädigung aufweisen und deshalb beispielsweise für die Möbelindustrie nicht geeignet sind. Diese Beschädigungen sind nur ein äußerlicher Makel. Das können beispielsweise Astlöcher oder Verfärbungen sein. Die Qualität des Holzes wird dadurch aber nicht beeinträchtigt. Immerhin rund 60 Prozent des Holzeinschlags in Deutschland wird als Kalamitätsholz klassifiziert. Wir reden hier von mehreren Millionen Kubikmeter Holz, die zu einem großen Teil verbrannt werden. Zum Schaden für das Klima und eine effiziente Ressourcennutzung.
In unseren BRIQS können wir die Hölzer verwenden, ohne Beeinträchtigungen bezüglich der Stabilität, Haltbarkeit oder anderer baurelevanter Faktoren. Wir nutzen mit TRIQBRIQ also eine Ressource, die bislang überwiegend verschwendet wird und schützen dabei noch das Klima.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die einfache Handhabung der BRIQS. Die Konstruktion erinnert an Legosteine und sie können im Prinzip auch so zusammengesetzt werden. Zusätzliche Stabilität erreichen wir, indem wir die BRIQS mit Buchenholzdübeln miteinander verbinden. So lassen sich nach kurzer Einweisung tragfähige Wände für nahezu jedes architektonische Konzept bauen.
„Auf einem Quadratmeter Wand speichern wir mit TRIQBRIQ rund 200 Kilogramm CO2. Bei einem durchschnittlichen Einfamilienhaus sind das bis zu 70 Tonnen eingespartes Kohlendioxid“
Business Leaders: Gebäude klimaschonender zu bauen wird immer wichtiger. Wie gelingt das mit den BRIQS?
Max Wörner: Vor allem durch die Verwendung von Holz. Holz hat die Eigenschaft, CO2 zu binden. Erst bei der Verbrennung wird dieses Kohlendioxid wieder an die Atmosphäre abgegeben und trägt so zur Erderwärmung bei. Durch unser Baukastensystem wird das CO2 dauerhaft gebunden. Wir sprechen deshalb von einem CO2-positiven Baustoff, weil wir CO2-Emissionen nicht nur vermeiden.
Damit leisten wir einen doppelten Beitrag zum Klimaschutz. Zum einen, weil wir die natürliche Eigenschaft des Holzes erhalten und zum anderen, weil wir durch die Verwendung von Kalamitätsholz die drohende Verbrennung verhindern. Das lässt sich auch in Zahlen ausdrücken. Auf einem Quadratmeter Wand speichern wir rund 200 Kilogramm CO2. Bei einem durchschnittlichen Einfamilienhaus sind das bis zu 70 Tonnen eingespartes Kohlendioxid.
Bei TRIQBRIQ betrachten wir die gesamte Wertschöpfungskette und haben mit den BRIQS ein Kreislaufsystem geschaffen. Auch das ist aktiver Klimaschutz, denn es wird nicht nur Energie gespart, sondern auch Ressourcen effizienter genutzt und zusätzlicher Abfall vermieden. Das geht bis zur abfallfreien Anlieferung der BRIQS auf die Baustelle. Dafür haben wir wiederverwendbare Schutzhüllen und Spanngurte entwickelt. Außerdem setzen wir auf kurze Transportwege. Unser Holz stammt aus heimischen Wäldern und wird von regionalen Sägewerken verarbeitet. Diese liefern uns vorgefertigte Kanthölzer, aus denen wir dann die BRIQS herstellen können. Diese gesamte Wertschöpfungskette haben wir bereits am Standort Tübingen umgesetzt, können den gesamten Prozess aber auch an jeden anderen Standort verlagern, wenn beispielsweise Sturmschäden in einer Region zu einem erhöhten Anfall von Kalamitätsholz führen.
Business Leaders: Was ist unter einem zirkulären Baustoff zu verstehen?
Max Wörner: Damit ist ein geschlossener Wertstoffkreislauf gemeint. Das bedeutet konkret, dass der einmal produzierte BRIQ immer wiederverwendet werden kann. Mit TRIQBRIQ erstellte Gebäude lassen sich also vollständig zurückbauen und die dabei verwendeten Bausteine können problemlos wieder an anderer Stelle eingesetzt werden.
„Oft ist der Anteil der grauen Energie, der in einem Gebäude gebunden ist, größer als die Energie, die im späteren Betrieb verbraucht wird.“
Recycling und Kreislaufwirtschaft sind zwei große Themen, die in der Bauwirtschaft zunehmend an Bedeutung gewinnen. Während Recycling von Baustoffen inzwischen zum Alltagsgeschäft gehört, befindet sich die Zirkularität noch in den Kinderschuhen. Dabei gehören Energie- und Ressourceneffizienz und Klimaneutralität zu den wichtigsten zukünftigen Herausforderungen der Bauindustrie. Eine wichtige Rolle spielt dabei die sogenannte graue Energie, die allerdings oft noch vernachlässigt wird. Als graue Energie wird der energetische Aufwand bezeichnet, der für Herstellung, Verarbeitung, Entsorgung und Transport eines Produktes aufgewendet wird. Oft ist der Anteil der grauen Energie, der in einem Gebäude gebunden ist, größer als die Energie, die im späteren Betrieb verbraucht wird.
Es gibt zwei Möglichkeiten, drauf zu reagieren. Zum einen sollten bestehende Gebäude so lange wie möglich genutzt werden und eher saniert als erneuert werden. Zum wird durch geschlossene Materialkreisläufe die notwendige Energie reduziert, weil ich einen Werkstoff nur einmal herstellen muss und dann immer wiederverwenden kann. Wir haben mit TRIQBRIQ ein solches System geschaffen. Die BRIQS benötigen bei der Verarbeitung keine zusätzlichen Verbindungsmittel. Wo erforderlich werden Schraubverbindungen genutzt. Das führt dazu, dass wir die in einem Gebäude verwendeten BRIQS sortenfrei und vollständig rückbauen können. Sie stehen dann für einen erneuten Einsatz zur Verfügung. Beschädigte BRIQS können wir auch wieder in den Kreislauf einfügen und als Rohmaterial für neue BRIQS verwenden.
Business Leaders: Mit TRIQBRIQ sollen Rohbauten schneller erstellt werden können. Wie geht das und warum ist es wichtig?
Max Wörner: Das liegt unter anderem an der einfachen Handhabung der BRIQS und dem Verzicht auf weiter Verbindungsmittel. So müssen wir beim Bauen keine zusätzlichen Trocknungszeiten einplanen. Das heißt, wenn die Bodenplatte trocken ist, können wir den Rohbau in einem Zug fertigstellen. Dadurch können Handwerker gezielter und effizienter eingesetzt werden und die Rohbauzeit lassen sich von mehreren Monaten auf 1 bis 2 Wochen reduzieren. Das ist ein echter Vorteil beim Hausbau, der sich nicht zuletzt in den Finanzierungskosten niederschlägt. Vor wenigen Wochen wurde in Frankfurt ein mehrgeschossiger Rohbau mit TRIQBRIQ fertiggestellt. Das Handwerksunternehmen benötigte dafür sechs Tage, obwohl die Mitarbeiter zuvor noch nie mit TRIQBRIQ gearbeitet hatten.
Business Leaders: Sie arbeiten bereits profitabel. Was sind die nächsten Schritte um das TRIQBRIQ-Holzbausystem zu skalieren?
Max Wörner: Im ersten Schritt wollen wir den Produktionsstandort Tübingen maximal auslasten. Das heißt, dort sollen bis Ende des Jahres mindestens vier weitere Roboter zum Einsatz kommen. Damit können wir die aktuellen größeren Aufträge gut bedienen.
Wir stehen aktuell an der Schwelle zu weiterem Wachstum und wollen unsere Vision des zirkulären Bauens möglichst weit verbreiten. Dazu suchen wir auch Investoren, die diese Vision mit uns teilen und mit uns in die nächsten Schritte gehen wollen. Der Gesamtmarkt hat ein Volumen von etwa 10 Milliarden Euro pro Jahr. In den kommenden zwei Jahren wollen wir einen Marktanteil von mindestens einem Prozent erreichen. Das entspricht etwa 45 Millionen Euro Jahresumsatz.
Aber wir stecken auch Zeit und Geld in die weitere Entwicklung der BRIQS. Bislang werden dafür vor allem Tannenhölzer genutzt, weil dies die hauptsächlich angebaute Baumart in Deutschland ist. Der aktuelle Zustand des Waldes hat aber zu einem Umdenken geführt. Wir werden also mehr Laubwälder bekommen, mit neuen resilienteren Baumarten. Auch wenn wir keine Probleme mit dem Nachschub an Kalamitätsholz haben, wollen wir uns auf diese Sorten vorbereiten und erforschen nun deren Nutzung für unsere Zwecke.
Außerdem wollen wir für jeden Gebäudetyp einen Auftrag erhalten, damit wir die universelle Einsatzmöglichkeit des TRIQBRIQ-Systems unter Beweis stellen können. Wir haben schon Einfamilienhäuser gebaut, ein mehrstöckiges Gebäude und Anbauten. Aktuell haben wir Aufträge für einen Supermarkt, für 16 Ferienhäuser am Lago Maggiore und für ein größeres Appartementhaus. Jetzt würden wir noch gerne eine Reihenhaussiedlung bauen, idealerweise mit schlüsselfertigen Gebäuden. Dafür suchen wir momentan noch einen strategischen Partner.
(TF)
Lesen sich auch das Interview mit Max Wörner auf SQUAREVEST: „Mit TRIQBRIQ ermöglichen wir den kreislauffähigen Hochbau“ und den Beitrag auf SCORDEX „Max Wörner bietet mit TRIQBRIQ eine Lösung für die Herausforderungen der Bauwirtschaft“