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Rolls-Royce, der Atom-U-Boot-Ausrüster aus dem englischen Derby, will ab 2031 die ersten Atomkraftwerke in alle Welt verkaufen, die mit 16 Metern Länge und 4 Metern Höhe auf einen LKW passen.
Der englische Name: Small Modular Reactors, kurz SMR.
Bei Nichtgefallen oder Funktionsstörungen können sie auch wieder abgeholt werden. Außerdem sollen sie eine „Walk-away-Sicherheit“ bieten und angeblich nicht mal im Notfall irgendeine Betreuung durch Menschen brauchen – einfach, weil sie so klein sind und schon prinzipiellen physikalischen Gründen nicht genug Hitze entwickeln können, um durchzubrennen wie Tschernobyl oder Fukushima.
Ein Kraftwerk, das ganz ohne Treibhausgase eine ganze Stadt versorgen kann, jahrzehntelang, und dies auch noch zu günstigen Preisen.
Der britische Premierminister Boris Johnson (57, Conservative Party, wohnt gleich neben seinem Amtssitz in der Downing Street Nr. 11 in London) ist so begeistert, dass er von Regierungsseite 210 Millionen Britische Pfund (rund 248 Millionen Euro) bereitstellt, wenn Rolls Royce eine ähnlich große Summe von privaten Investoren aufbringt.
Hat Rolls-Royce Anfang November 2021 aufgebracht
Am 8. November 2021 gab Rolls-Royce bekannt: Die Rolls-Royce Group, BNF Resources UK Limited und Exelon Generation Limited werden über einen Zeitraum von etwa drei Jahren 195 Millionen Britische Pfund (rund 231 Millionen Euro) investieren.
Die Finanzierung wird es dem Unternehmen ermöglichen, sich Zuschüsse in Höhe von 210 Millionen £ aus der britischen Forschungs- und Innovationsförderung zu sichern, die der britische Premierminister erstmals in seinem „Zehn-Punkte-Plan für eine grüne industrielle Revolution“ angekündigt hatte. Die Privatinvestition ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Umsetzung der Netto-Null-Strategie der Regierung und ihres 10-Punkte-Plans.
Die Produktion der mobilen Minireaktoren soll Premierminister Boris Johnson dabei helfen, sein Ziel, bis 2035 kohlenstofffreien Strom zu erzeugen, zu erreichen. 2031 soll der erste SMR ans britische Stromnetz angeschlossen werden.
Warren East, CEO von Rolls-Royce, sagte: „Das SMR-Programm ist eine der Möglichkeiten, mit denen Rolls-Royce der Notwendigkeit gerecht wird, sicherzustellen, dass das Vereinigte Königreich weiterhin innovative Wege zur Bewältigung der globalen Bedrohung durch den Klimawandel entwickelt. Mit der SMR-Technologie von Rolls-Royce haben wir eine saubere Energielösung entwickelt, die kostengünstige und skalierbare Netto-Null-Energie für zahlreiche Anwendungen liefern kann, von der Stromerzeugung im Netz und in der Industrie bis hin zur Herstellung von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen. Das Unternehmen könnte durch den Einsatz im Vereinigten Königreich und durch exportorientiertes Wachstum bis zu 40.000 Arbeitsplätze schaffen. Als Hauptanteilseigner von Rolls-Royce SMR werden wir den Weg zur erfolgreichen Einführung weiter unterstützen.“
„Manche werden es erst glauben, wenn sie es sehen“, sagte Alastair Evans, der für Marketing- und Regierungsangelegenheiten zuständige Rolls-Royce-Manager in der schnell wachsenden SMR-Abteilung des Luftfahrt-, Weltraum- und Rüstungskonzerns dem Redaktionsnetzwerk Deutschland aus Hannover.
Denn Deutschland winkt ab
In Berlin hat das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE) bereits im Frühjahr dieses Jahres eine umfangreiche Übersicht über alle SMR-Projekte weltweit erstellt – und in einem Gutachten eine skeptische Bilanz gezogen.
Allein die Vielzahl der Anlagen lässt die Deutschen schaudern: „Anstelle von heute circa 400 Reaktoren mit großer Leistung würde dies den Bau von vielen tausend bis zehntausend SMR-Anlagen bedeuten.“
Zwar könnten SMR gegenüber Atomkraftwerken mit großer Leistung potenziell sicherheitstechnische Vorteile erzielen, da sie ein beispielsweise geringeres radioaktives Inventar pro Reaktor aufweisen. Die hohe Anzahl an Reaktoren, die für die gleiche Produktionsmenge an elektrischer Leistung notwendig ist, erhöht jedoch das Risiko wieder. Zudem müsse – im Gegensatz zu den Herstellerangaben – „davon ausgegangen werden, dass die Möglichkeit von Kontaminationen besteht, die deutlich über das Anlagengelände hinausreichen“.
Dass die Deutschen auch mit Blick auf kleine Reaktoren bei ihrem Atomkraft-nein-danke-Kurs bleiben, überrascht bei Rolls-Royce niemanden. Mit britischer Höflichkeit betont Evans, jede Nation müsse ihren eigenen Weg finden. Bei vielen werde ein Umdenken erst dann einsetzen, wenn im Jahr 2031 die ersten 16 Rolls-Royce-SMR abgeladen werden und funktionieren.
Rolls-Royce ist nicht allein
„Wir müssen uns beeilen, sonst machen das andere“, sagt Evans. In den USA, in Russland, in China und auch in Japan ruderten viele in genau die gleiche Richtung.
Tatsächlich läuft die Forschung an Small Modular Reactors weltweit auf Hochtouren. Nicht nur in staatlicher Regie wie in China und Russland. Sondern auch in der Privatwirtschaft, etwa bei Nuscale im US-Staat Oregon, Hitachi in Japan und Seaborg Technologies in Dänemark.
Frankreich, das jahrelang auf weniger Atomstrom zusteuerte, will neuerdings die SMR-Entwicklung durch staatliche Programme im Rahmen des Projekts „France 2030″ fördern, wie Business Leaders berichtete.
Weltmarktführer will jetzt Rolls-Royce werden. Mit teuren Autos hat Rolls-Royce nichts mehr zu tun. Die Markenrechte gingen an die BMW AG in München-Milbertshofen.
Rolls-Royce hat einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil
„Rolls-Royce steht für Verlässlichkeit“, sagt Alastair Evans, der für Regierungsangelegenheiten zuständige Manager in der schnell wachsenden SMR-Abteilung des Konzerns. „Das werden wir uns natürlich auch beim Geschäft mit den kleinen Reaktoren zunutze machen.“
Der Umgang mit nuklearen Techniken ist für die Firma Alltag. Sie liefert seit Jahrzehnten die Minireaktoren, die in britischen Atom-U-Booten ihren Dienst tun.
Gewinnen werde den Wettbewerb, wer in die Serienproduktion gehen kann, weil er als erster eine rundum kundenfreundliche Lösung bietet. In Gesprächen mit den Kollegen aus der eigenen Flugzeugturbinensparte kläre Rolls-Royce gerade, wie eine parallele Struktur für Minireaktoren entworfen werden könnte, von den Lieferketten über die Montage bis zum Kundendienst. „Wenn wir alles so ähnlich hinkriegen wie bei den Flugzeugturbinen“, sagt Evans, „sind wir weltweit vorn.“
Es gibt auch noch andere Kunden als Deutschland
Rolls-Royce sieht in der EU enorme Marktpotenziale für SMR. Estland hat bereits den Finger gehoben, ein „Memorandum oft Understanding“ zwischen Rolls-Royce und der estnischen Stromlieferanten Fermi Energie wurde bereits im März dieses Jahres unterzeichnet. Spannend sei nicht zuletzt, wie sich bislang schwankende Staaten wie die Niederlande entscheiden: Hier spürt Evans so etwas wie „ein neues Nachdenken übers Nukleare“.
Außerhalb Europas gehören unter anderem die Philippinen mit ihrer zerklüfteten Inselstruktur zu den Interessenten. SMR-Lösungen könnten den Energieversorgern dort das aufwändige Verlegen von Kabeln ersparen.
Finnland baut erstes Atomkraft-Endlager
Evans, gelernter Jurist, erzählt im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland, er habe jetzt den bislang besten Job seines Lebens. Zuvor war er für Firmen tätig, die mit Öl und Gas zu tun hatten. „Jetzt kann ich meinen beiden kleinen Kindern ins Auge sehen und sagen: Hey, wir arbeiten gerade an einer Stromversorgung ohne Kohlendioxidausstoß.“
Macht ihm, wenn er schon den Blick auf künftige Generationen ins Spiel bringt, die Endlagerproblematik keine Sorge? Als bislang einziger europäischer Staat mit Atomkraftwerken hat bislang Finnland ein Antwort auf die Endlagerfrage gefunden: in Granit, auf einer entlegenen Insel.
Über Rolls-Royce Holdings plc
Rolls-Royce leistet nach eigenen Angaben Pionierarbeit bei der Energieversorgung, um die Gesellschaft zu vernetzen, anzutreiben und zu schützen. Der Konzern hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2030 netto null Treibhausgasemissionen in seinen Betrieben zu erreichen [ausgenommen Produkttests] und ist 2020 der UN-Kampagne Race to Zero beigetreten. Damit bekräftigt Rolls-Royce seine Ambition, eine grundlegende Rolle dabei zu spielen, dass die Sektoren, in denen Rolls-Royce tätig ist, bis 2050 netto null Kohlenstoffemissionen erreichen.
Rolls-Royce hat Kunden in mehr als 150 Ländern, darunter mehr als 400 Fluggesellschaften und Leasingkunden, 160 Streitkräfte und Marinen sowie mehr als 5.000 Kunden aus der Energie- und Nuklearindustrie.
Der Jahresumsatz betrug im Jahr 2020 11,76 Milliarden Pfund (13,97 Milliarden Euro). Rolls-Royce investierte 1,25 Milliarden Pfund (1,49 Milliarden Euro) in Forschung und Entwicklung. Darüber hinaus unterstützt Rolls-Royce ein weltweites Netz von 28 universitären Technologiezentren, die Rolls-Royce-Ingenieure an der Spitze der wissenschaftlichen Forschung positionieren. (FM)
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