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Erst 2020 reagierte das, etwas träge, deutsche Rechtssystem auf die Rechtsprechung anderer Staaten bezüglich der Insolvenz. Am 01.10.2020 verkürzte die Bundesregierung mit der Änderung der Insolvenzordnung (InsO) die Wohlverhaltensperiode von 6 auf 3 Jahre. Auch müssen sich private Schuldner nach neuem Recht nicht mehr an die 35% Rückzahlungsquote halten, bevor sie die Privatinsolvenz erfolgreich abschließen können.
Die Bundesregierung reagierte während der Corona-Pandemie auf die Aussetzung der Insolvenz-Anzeigepflicht. Dies hatte in den meisten Fällen keine heilende Wirkung, allenfalls bedeutete das für angeschlagene Unternehmen nur ein Sterben auf Zeit.
So nahm die Zahl der Gründungen größerer Betriebe 2022 mit ca. 10% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum deutlich ab. Die Zahl der Gewerbeabmeldungen mit ca. 5% im Vergleich zum Vorjahr nahm ebenfalls zu. Anträge auf Regelinsolvenzen nahmen mit ca. 2% im Vergleich zum Vorjahr auch zu. Ob sich dieser Trend auch 2023 fortsetzt ist wahrscheinlich.
Anpassungen der Insolvenzordnung 2022
Das Bundeskabinett hat am 31.10.2022 die Umsetzung der insolvenzrechtlichen Vorgaben aus dem dritten Entlastungspaket beschlossen. Das Gesetz ist am 9.11.2022 in Kraft getreten und ist bis zum 31.12.2023 befristet.
Gesetz zur vorübergehenden Anpassung sanierungs- und insolvenzrechtlicher Vorschriften zur Abmilderung von Krisenfolgen (SanInsKG). Kernpunkt ist die Verkürzung des Prognosezeitraums im Rahmen der Überschuldungsprüfung gemäß Insolvenzordnung (InsO) von zwölf auf vier Monate sowie des Planungszeitraums bei einem Antrag auf Eigenverwaltung gemäß § 270a Abs. 1 Nr. 1 InsO und bei einem Finanzplan nach Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) von sechs auf vier Monate.
- Gesetz sieht keine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 19 InsO vor
- bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit muss die Geschäftsführung innerhalb von 3 Wochen den Insolvenzantrag bei zuständigen Amtsgericht stellen
- bei Überschuldung muss der Antrag innerhalb von 8 Wochen gestellt werden
- Verkürzung des Prognosezeitraums von 12 auf 4 Monate
- Verkürzung der Frist bei Eigenverwaltungs- und Restrukturierungsverfahren von 6 auf 4 Monate
Corona und die Insolvenzen
Aufgrund staatlicher Hilfen und Förderprogramme während der Corona-Pandemie wurden die Firmenpleiten in Deutschland auf einem künstlich niedrigen Niveau gehalten. Jedoch schon im Jahr 2023 kam es zu einer Pleitewelle, besonders im produzierenden Bereich. Grund dafür waren stark gestiegene Rohstoff- und Energiekosten, die nicht oder nur teilweise an die Verbraucher und Abnehmer weitergegeben werden konnten.
Von dieser Pleitewelle werden auch große Unternehmen und Konzerne betroffen sein. Auch „normale“ Betriebsschließungen werden aufgrund der veränderten Situationen 2024 an der Tagesordnung stehen.
Zu groß ist die ausländische Konkurrenz, die sich mit verschiedensten Standortvorteilen -gerade zum heutigen Zeitpunkt- von Deutschland abgrenzen kann. Besonders Mitbewerber aus Fernost und Osteuropa haben durch ihre geringeren Lohnkosten einen klaren Wettbewerbsvorteil, der viele deutsche Unternehmen zur Abwanderung in solche Länder bewegt. Tendenziell ist befürchten, dass der Wirtschaftsstandort Deutschland global zunehmend an Bedeutung verliert. Die Bedingungen für Investoren und Fachkräfte sind im Vergleich zu anderen Ländern nicht mehr wettbewerbsfähig. Bedeutet dies das Aus für „made in germany“?
Zwar gab es bei privaten Verbraucherinsolvenzen 2022 einen zahlenmäßigen Rückgang im Vergleich zu 2021. Das liegt aber daran, dass 2021 aufgrund der geänderten Gesetzeslage (verkürzte Wohlverhaltensperiode von 6 auf 3 Jahre) viele insolvente Verbraucher mit ihrem Antrag bis 2021 gewartet haben. Dadurch kamen quasi statistisch die Privatinsolvenzen aus 2020 mit dazu. Tendenziell ist aber zum Ende des Jahres 2022 wieder ein Anstieg der Privatinsolvenzen zu verzeichnen, betrachtet man statistisch das gesamte Jahr.
Regelinsolvenz vs. Verbraucherinsolvenz
Mit Insolvenz bezeichnet der Gesetzgeber die Zahlungsunfähigkeit einer juristischen oder einer natürlichen Person. Hierbei unterscheidet man zwischen Regelinsolvenz (für Unternehmen bzw. Selbstständige) und Privatinsolvenz (für alle natürlichen, nicht selbständigen Personen).
Die Privat- oder Verbraucherinsolvenz findet aber auch Anwendung bei selbstständigen Personen, die weniger als 20 Gläubiger haben und keine offenen Forderungen von Arbeitnehmern enthalten sind.
Regelinsolvenzen und Verbraucherinsolvenzen können von einem Gläubiger aber auch von dem Schuldner beim zuständigen Gericht angemeldet werden. Die Regelinsolvenz ist ein sehr langwieriges Gerichtsverfahren, die Verbraucherinsolvenz hingegen ein verkürztes, vereinfachtes Verfahren.
Für beide Verfahrensarten werden gesetzliche Treuhänder bestellt, die das ganze Verfahren betreuen und dem Gericht regelmäßig berichten müssen. Ziel beider Verfahren ist die sogenannte Restschuldbefreiung, die nach erfolgreicher Wohlverhaltensperiode per Gerichtsbeschluss erteilt wird.
Verbraucherinsolvenz – Außergerichtlicher Einigungsversuch
Der erste Schritt einer Verbraucherinsolvenz ist ein außergerichtlicher Bereinigungsversuch. Grundlage ist die Insolvenzordnung § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO. Dazu nimmt der Insolvenzverwalter mit allen Gläubigern Kontakt auf und erfragt eine exakte Höhe der aktuellen Forderungen. Mit diesem Zahlenmaterial fertigt der Insolvenzverwalter einen ersten Bereinigungsplan an, der allen Gläubigern zugestellt wird.
Sind alle Gläubiger mit diesem Plan einverstanden, ist das Verfahren an der Stelle beendet. Die vorgeschlagenen Beträge aus dem Bereinigungsplans werden an die Gläubiger ausgekehrt, im Gegenzug verzichten sie alle auf die noch offenen Forderungen.
Ist jedoch nur ein Gläubiger dabei, der diesem Bereinigungsplan nicht zustimmt gilt der Plan als gescheitert. In diesem Fall wird anschließend der Antrag auf Insolvenzverfahrens und anschließende Restschuldbefreiung gestellt.
Gerichtlicher Einigungsversuch
Der Treuhänder ermittelt die genaue Höhe des verwertbaren Vermögens des Schuldners und es wird ein weiterer, diesmal gerichtlicher Einigungsversuch unternommen. Vom ermittelten Betrag des zu verteilenden Schuldnervermögens werden die Verfahrenskosten abgezogen, der Rest wird als Art Vergleich zu gleichen Teilen prozentual den Gläubigern angeboten. Sind alle Gläubiger an dieser Stelle einverstanden kehrt der Verwalter das verwertbare Vermögen an die Gläubiger aus. Das Verfahren ist dann beendet, alle übrigen Restschulden wären erledigt.
Beginn des Insolvenzverfahrens
Scheitert dieser Einigungsversuch beginnt das eigentliche Insolvenzverfahren. Das laufende Einkommen des Schuldners wird (nach Abzug des Selbstbehalts nach Pfändungstabelle) prozentual 3 Jahre lang an die Gläubiger verteilt. In diesen 3 Jahren (Abtretungsfrist § 287 Abs. 2 InsO) muss er Schuldner nicht mit dem Besuch des Gerichtsvollziehers rechnen, es besteht Pfändungsschutz. Allerdings muss er seinen Arbeitsgeber informieren, denn dieser muss den pfändbaren Teil des Arbeitseinkommens regelmäßig an den Insolvenzverwalter auskehren.
Restschuldbefreiung
Nach 3 Jahren des Wohlverhaltens entscheidet das Gericht über die endgültige Restschuldbefreiung (Insolvenzordnung § 300 Abs. 1 InsO). In dieser Zeit dürfen keine neuen Schulden gemacht werden, der Schuldner muss alle Anstrengungen unternehmen, einer zumutbaren Tätigkeit nachzugehen, um zumindest einen Teil seiner Verbindlichkeiten abzuzahlen.
Von der Verbraucherinsolvenz ausgenommen sind alle Schulden, die aus unerlaubten Handlungen entstanden sind. Diese bleiben weiterhin bestehen und können auch während und nach dem Insolvenzverfahren betrieben (gepfändet) werden. Ansonsten genießt der Schuldner während des Insolvenzverfahrens Pfändungsschutz.
Welches Insolvenzgericht ist zuständig?
Antragsberechtigt sind gemäß Insolvenzordnung (InsO) Schuldner und Gläubiger. Ein Antrag auf das Insolvenzverfahren wird mit dem Antrag beim zuständigen Gericht eingeleitet. Das ist das Amtsgericht eines Landgerichtsbezirks, in dessen Bezirk das Landgericht den Sitz hat. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Gerichtsstand des Schuldners, bei Selbständigen nach dem Gerichtsstand des Unternehmens.
Was kostet die Verbraucherinsolvenz?
Die Kosten des Verbraucherinsolvenzverfahrens sind nicht in der Restschuldbefreiung inkludiert und müssen in jedem Falle vom Schuldner bezahlt werden.
Es fallen normale Verfahrenskosten bei Gericht an, der Treuhänder muss ebenfalls bezahlt werden. Kosten von mindestens 2.000,00 € muss der Schuldner insgesamt dafür einplanen. Mit dem Treuhänder bzw. Rechtsanwalt kann man sich auf ein pauschales Honorar einigen, das auch in vielen Fällen in Raten gezahlt werden kann.
Prozesskostenhilfe wird in diesem Verfahren grundsätzlich nicht, aber einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe geben einige Amtsgerichte trotzdem aus. Dieser Berechtigungsschein deckt jedoch nur die Kosten bis zur Erteilung der Bescheinigung über das Scheitern des außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs ab. Die Antragstellung und die anwaltliche Vertretung im Verfahren muss man selbst finanzieren.
Für mittellose Betroffene gibt es staatliche Schuldnerberatungsstellen, die von öffentlichen Trägern (DRK, Diakonie u.a.) betrieben werden. Hier erhält man kostenlose Unterstützung und Beratung, jedoch gibt es durch die Vielzahl der Fälle sehr lange Wartezeiten.
Schufa Eintrag bleibt
Nach Abschluss des Verfahrens bleibt bei der SCHUFA, Creditreform und anderen Wirtschaftsauskunfteien noch für weitere 3 Jahre der Eintrag bestehen.
Man muss also für ein vollständigen Neuanfang etwa 7 Jahre einkalkulieren, in denen man finanziell nicht voll handlungsfähig ist:
- 1 Jahr – Beantragung des Verfahrens, Einigungsversuche
- 3 Jahre – Insolvenzverfahren
- 3 Jahre – noch bestehender negativer Eintrag in der SCHUFA
Verschiedene Oberlandesgerichte haben zum Thema „Datenspeicherung bei Insolvenzen maximal 6 Monate“ Entscheidungen getroffen. Abschließende Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH Az. VI ZR 225/21 + Az. VI ZR 367/21) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH Az. C-26/22 und C-64/22) stehen noch aus, um die Frage endgültig zu beantworten.
Englische Insolvenz
In Deutschland mahlen die Mühlen der Gesetze bekanntlich immer etwas langsamer, als in anderen Ländern. So kam es bis zum Brexit zu einem regelrechten Insolvenz-Tourismus nach England. Die Queen gestattete es auch Bürgern anderer EU-Staaten ihre Insolvenz in England zu „absolvieren“, und das im Eiltempo von 12 Monaten. Agenturen versorgten (gegen ein saftiges Honorar) deutsche „Insolvenz-Willige“ mit fiktivem englischem Wohnsitz und allen Papieren, die für eine Insolvenz so nötig waren. Das könnte sich aber bald ändern.
Regelinsolvenz
Die Regelinsolvenz ist für Unternehmer, Einzelunternehmer oder Freiberufler eine Möglichkeit der Entschuldung. Die Regelinsolvenz ist Teil des Rechtsgebietes Insolvenzrecht, für welches sich Rechtsanwälte spezialisiert haben. Gerade bei der Abwicklung von größeren Unternehmen sollten sich Betroffene an diese Experten wenden. Eine rechtliche Beratung zur Regelinsolvenz ist uns nicht möglich. Aus diesem Grund thematisieren wir dieses komplexe Thema in diesem Beitrag nicht und verweisen unbedingt auf spezialisierte Fachanwälte.
(HZ)
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