Business-Leaders
Der Bauer auf dem Gemüsefeld. Und die Kassiererin im Supermarkt. Beide könnten in der künftigen Einkaufswelt bald überflüssig werden. Bei Amazon und Alibaba sind sie es jetzt schon. Wir stellen Ihnen den Supermarkt der Zukunft vor.
Amazon und Alibaba haben die Art, wie wir einkaufen, für immer verändert. Und zunehmend nehmen sie auch Einfluss auf den Lebensmittelmarkt.
Supermarkt der Zukunft: „Amazon frisst uns mit Haut und Haar“
Diese Einschätzung twitterte das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am 12. Oktober 2021.
amazon fresh
2015 hatte der US-Internethandelsriese Amazon in Seattle den ersten mit einer Just-Walk-Out-Technologie ausgestatteten Buch-Laden (amazon books) eröffnet, der die Kunden mit dem Versprechen der Effizienz lockt, wie das Berlin Journal berichtete. Denn der mit Sensoren versehene Einkaufswagen und die smarten Regale ersparen dem stets unter dem Gefühl des Gehetztseins leidenden modernen Menschen das Warten an der Kasse. Die Abbuchung des Preises für den Einkauf erledigt eine App.
2017 erschütterte der damalige CEO und Amazon-Gründer Jeff Bezos (57) die Lebensmittelbranche mit dem 13,7-Milliarden-Dollar-Kauf der Supermarktkette Whole Foods.
Inzwischen existieren in Amerika 28 solcher Geschäfte, wobei Brittain Laid, ehemaliger Amazon-Strategieberater, davon ausgeht, dass der Internetriese bis 2030 ein Filialnetz von bis zu 3.000 Supermärkten unterhalten wird.
London: Erster amazon fresh in Europa
Am 4. März 2021 eröffnete Amazon seinen ersten europäischen amazon fresh-Shop im Bezirk Ealing im Westen Londons. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann amazon fresh nach Deutschland kommt.
In die amazon fresh-Shops muss man zwar (noch) persönlich gehen. Doch das Check-out ist schon jetzt komplett automatisiert: Kund:innen müssen an keine Kasse mehr, ihr Einkauf wird beim Verlassen der Filiale gescannt und automatisch berechnet.
Das Einkaufen im kassiererlosen Lebensmittelmarkt amazon fresh in London empfand die Londoner Junior Business Reporterin Kate Duffy zwar als bequem, aber auch gruselig.
Sie twitterte am 13. März 2021: „Es fühlt sich an wie ein ganz normaler Supermarkt, bis man nach oben schaut…“
Unzählige Kameras
Oben? Duffy: „Was mir nicht gefiel, waren die unzähligen Kameras, die von der Decke hingen und kontrollierten, was ich in meine Tasche tat. Es hatte ein dystopisches Gefühl. Das Essen und die Produkte waren nichts Besonderes. Was diesen Laden aber ausmacht, ist eine futuristische Technologie, die für einen mühelosen Einkaufstrip sorgt.“
Was ihr gefiel: „Das ganze Einkaufserlebnis war unkompliziert. Es gibt kein Ausweichen vor Einkaufswagen, kein Hasten an der Kasse und kein Hantieren mit Kreditkarten. Die Rechnung wird nach dem Verlassen des Ladens ausgestellt.“
2 Stunden lang nicht gewusst, wie viel sie ausgegeben hatte
Aber, so Kate Duffy beim Testeinkauf: „Es dauerte jedoch zwei Stunden, bis ich meine digitale Quittung erhielt. So lange wusste ich nicht, wie viel ich ausgegeben hatte. Der Laden ist nur 233 Quadratmeter groß — das ist deutlich kleiner als ein regulärer Supermarkt. Es wäre schwierig, dort einen großen Wocheneinkauf zu erledigen.“
Und die deutsche Lebensmittelzeitung aus Frankfurt titelte in ihrem Store-Check eines amerikanischen amazon fresh in Irvine in Kalifornien am 2. November 2020: „So leblos und lieblos ist der neue Amazon Fresh Supermarkt.“
Zwei Drittel weniger Personal und Hälfte der Auswahl
„Venture Beat“ , ein Technologie-Magazin aus San Francisco, findet. „Die Amazon Fresh-Läden sehen wie kleine Lagerhäuser aus und haben den Charme von Walmarts-Lebensmittelabteilungen, abzüglich zwei Drittel der Menschen und der Hälfte der Auswahl. Von der Beschilderung bis zu den Gängen und Spezialitätentheken fühlt sich Amazons neuestes Geschäft an, als sei es größtenteils von Ingenieuren entworfen worden.“
Amazon Dash Cart
Aber die Bequemlichkeit des Einkaufens ist der Trumpf von Amazon im Supermarkt der Zukunft: Kunden können beispielsweise den multifunktionalen „Amazon Dash Cart„-Einkaufswagen nutzen, um Artikel zu finden, Einkäufe zu verfolgen und mittels App die Bezahlung zu beschleunigen.
An vielen Stellen soll der virtuelle Assistent Alexa den Kunden bei der Verwaltung von Einkaufslisten und der Navigation durch den Laden behilflich sein. Natürlich kann man sich auch Ware liefern lassen oder abholen.
Warum macht Amazon das? Daten sind wertvoller als Geld!
Amazon will alles über uns wissen. Den Preis aber, den der Konsument tatsächlich bezahlt, beziffert keine App.
Stacy Mitchell, Marktforscherin des Institute for Local Self-Reliance, bringt es auf den Punkt: „Amazon will so viel wie möglich über uns wissen. Was wir essen und wie wir Lebensmittel einkaufen, verrät eine Menge.“
Geht es um den leichtfertigen Umgang mit den eigenen, teilweise intimen Daten, lautet eine der beliebtesten und naivsten Aussagen: „Ich habe nichts zu verbergen.“ Dass jeder Onlineeinkauf, jedes verschriebene Medikament, jede in den smarten Einkaufswagen gelegte Flasche Wein und Tüte Chips mit unzähligen anderen persönlichen Daten kombiniert wird, fällt dabei der Verdrängung anheim. Doch niemand kann heute sagen, welche irgendwo gespeicherten Informationen einem morgen Türen verschließen.
Alibaba und JD.com: Eigene Roboter-Gemüsefarmen in China
Und in China gehen Alibaba und JD.com sogar noch weiter. Die Konzerne haben eigene Farmen, auf denen mit Künstlicher Intelligenz ausgestattete Maschinen die Ernte vornehmen. So werden Menschen immer weiter an den Rand gedrängt.
JD.com bedient hypervernetzte, wohlhabende Kunden
JD.com, hinter Alibaba die Nummer zwei im chinesischen Onlineversandhandel, baut seine Macht im Reich der Mitte unaufhörlich aus. Die Zielgruppe für ihre Supermärkte „7 Fresh“: hypervernetzte, wohlhabende Kunden. Bereits heute liegt die Quote der Onlinebestellungen bei fünfzig Prozent. Geliefert wird über das autonom fahrende Elektrofahrzeug, das mehrere Kunden hintereinander ansteuern kann. Wer den Gang in den Supermarkt nicht scheut, jedoch wenig Lust hat, sein Steak zu Hause selbst rosa zu braten, lässt diese Aufgabe einfach den Kochservice vor Ort erledigen.
Das Motiv von JD.com? Keine lästigen Partner!
In China lautet die JD.com-Parole derweil, möglichst unabhängig von lästigen Partnern zu agieren. Der Gigant baut deshalb beispielsweise Gemüse in nährstoffreicher Flüssigkeit an, ganz ohne Erde, da die traditionelle Landwirtschaft zu ineffizient und teuer ist. Die Anfangsinvestitionen in den von wenigen weißbekittelten Arbeitern überwachten Anbau sind zwar äußerst kostspielig, zahlen sich aber um ein Vielfaches aus.
Nach Lebensmitteln nun auch Dienstleistung: amazon salon in London
Und es bleibt nicht bei Lebensmitteln. Im April 2021 eröffnete Amazon im Londoner Osten seinen ersten Friseur in Europa, einen amazon salon.
Das besondere hier: Eine App und Pflegeprodukte, die man sieht und online bestellen kann.
Der Salon ist bekannt für seine Augmented-Reality-App, mit der die Kunden verschiedene Frisuren und Farben auf einem Bildschirm ausprobieren können, bevor sie sich für den gewünschten Look entscheiden. Preis für die Damenfrisur: 72 Dollar (62,15 Euro).
Hinter dem Haarwaschbecken stehen eine Reihe von Produkten, darunter Shampoos und Haarglätter, die Kunden bei Amazon kaufen können.
Die Kunden können mit ihrem Smartphone einen QR-Code neben dem gewünschten Produkt scannen. Dadurch werden sie auf die Amazon-Seite weitergeleitet, wo sie das Produkt bestellen und sich nach Hause liefern lassen können.
„Bester Haarschnitt, den ich je hatte“
Die Londoner Junior Business Reporterin Kate Duffy berichtete am 25. September 2021: „Ich war in Amazons Hightech-Friseursalon und habe mir die Haare praktisch rosa gefärbt – und dann den besten Haarschnitt bekommen, den ich je hatte.“
Auf Twitter schob Kate Duffy am 27. September 2021 nach: „Ich war in Amazons erstem Friseursalon in London und habe mir virtuell die Haare rosa, platinblond und lila gefärbt. Er unterscheidet sich nicht allzu sehr von einem normalen Salon, abgesehen von Hightech-Regalen, QR-codierten Artikeln, die mit deinem Amazon-Konto verknüpft sind, und Fire Kindles auf dem Schreibtisch.“ Immerhin gibt es noch echte Friseure und sogar echte Friseurausbilder, wie Amazon mitteilte.
Die deutschen Konzerne sind gezwungen zu reagieren.
Netto (ohne Hund) und Edeka testen Easy Shopper Einkaufswagen
Den Kunden jenseits von Selbstscanner-Kassen direkt beim Einkauf am Regal die Ware scannen lassen. Das soll ihnen Zeit ersparen. Dahinter steckt aber auch das Aal-Prinzip: „Andere arbeiten lassen“.
Netto (ohne Hund) und Edeka testen beispielsweise „Easy Shopper“-Einkaufswagen. Mit dem angeblich „modernsten Einkaufswagen der Welt“ scannt der Kunde die Produkte, die in den Wagen wandern selbst. Per App dazu kann der Kunde zuhause am Smartphone schon die Einkaufsliste erstellen. An der Easy-Shopper-Kasse muss die Ware dann nicht mehr gescannt werden. Man zahlt einfach mit Bargeld, via Karte oder in der App.
Penny und Rewe testen Handscanner
Etwas weniger aufwändig: Das Selfscanning per Hand-Scanner. Das Modell „Scan & Go“ testet inzwischen auch Rewe. Der Supermarkt-Blog beschreibt es ausführlich. Ziel der Handscanner: An einer Expresskasse kann schneller als sonst bezahlt werden.
Nimmt der Kunden diese und andere Modelle an, kann man womöglich auf Dauer Kassenpersonal einsparen. „Gut wäre es, wenn das nicht wegfällt, sondern das Team dafür mehr Zeit für andere Dinge wie Beratung oder Aktionspflege hätte“, mahnt die Lebensmittelzeitung aus Frankfurt am Main für den Supermarkt der Zukunft an. (FM)
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