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Das Bremer Startup MyEnso möchte in ganz Deutschland mit 700 neuen Tante Emma Läden durchstarten und tauft diese Tante Enso. Während vor wenigen Jahrzehnten noch in so gut wie jedem Dorf ein kleiner Mini-Supermarkt zu finden war, sank die Anzahl der Geschäfte des Lebensmitteleinzelhandels zwischen 2010 und 2022 von 41.000 auf 34.000 ab. Der Online-Supermarktbetreiber MyEnso möchte Tante Emma zurück ins Dorf holen und könnte bei Erfolg zu einer echten Marke werden. Es werde noch Bewerbungen für einen neuen Tante Enso von Gemeinden ab 1.000 Einwohnern angenommen.
Die Idee von Tante Enso
Der Rückgang aus den ländlichen Gebieten betrifft nicht nur Tante Emma Läden, auch Banken schließen ihre Filialen und damit verschwinden auch Geldautomaten vom Dorf. Der Onlinehandel durch Amazon und Co. hat viele weitere Geschäfte in kleinen und großen Gemeinden ersetzt. Gerade die Lebensmittelbranche kann aber nicht so einfach durch den Versandhandel ersetzt werden. Während für Städte Konzepte entwickelt werden, Artikel innerhalb weniger Stunden zu verschicken, sodass der Versandhandel auch für Nahrungsmittel interessant wird, ist ein solches Konzept auf dem Land deutlich schwerer und teurer umzusetzen.
MyEnso setzt an diesem Punkt an und betreibt den Versandhandel mit Lebensmitteln wie aus dem Supermarkt. Die beiden Gründer Norbert Hegmann und Thorsten Bausch geben an, dass der reguläre Versandhandel mit Lebensmittel bereits die Kosten deckt. Der Online Supermarkt hat bereits über 20.000 Produkte im Sortiment und beliefert Privatpersonen mit dem Einkauf direkt nach Hause und ab 60 € sogar versandkostenfrei. Daher möchte das Bremer Startup die Idee erweitern und 700 neue Tante Enso Läden eröffnen, um noch mehr Menschen zu erreichen. Durch den Online Versandhandel kann MyEnso die günstigen Preise durch den Großeinkauf an kleine Gemeinden weitergeben.
Die Idee von Tante Enso ist es, das Sortiment an die Kunden des jeweiligen Markts anzupassen. Zusätzlich können Online Bestellungen über MyEnso auch direkt im Markt abgeholt werden. Der reguläre Wocheneinkauf von Lebensmitteln soll bestmöglich abgedeckt werden, damit eine Fahrt in die nächste Stadt nur für Lebensmittel nicht mehr nötig ist. Eine weitere Besonderheit ist, dass man mit einer Tante Enso-Karte jederzeit den Supermarkt betreten kann und an der SB-Kasse ohne Personal bezahlen kann. Gerade die Öffnungszeiten waren bei kleinen Tante Emma Läden immer ein Problem, da die Personalkosten einen erheblichen Anteil ausmachten.
Tante Emma 2.0 – Kunden beeinflussen Sortiment
Die ersten 24/7 Tante Enso Läden haben bereits eröffnet. Der Spiegel berichtet über Tante Emma 2.0 in Wollbach nahe Augsburg. Der 1.300 Einwohner Ort ist froh über einen Nahversorger mit Wünsch-dir-was Tafel, um neue Produkte ins Sortiment aufzunehmen und sozialen Treffpunkt für die Gemeinschaft. Das variable Sortiment macht es möglich, die Produkte in dem Sortiment einfach auszutauschen und auf einer Verkaufsfläche von 150 bis 200 m² die meisten Einwohner glücklich zu machen. Das Konzept zielt vor allem auf ältere und weniger mobile Menschen ab. Man kann den Tante Enso also auch als Altersvorsorge für den eigenen Ort sehen.
Ein Tante Enso in Wörlitz (Sachsen-Anhalt) bietet auf 200 Quadratmeter 2.700 Produkte an. Auch hier kann man sich auf eine Kreidetafel weitere Produkte wünschen und das Sortiment beeinflussen. Dafür arbeitet MyEnso mit verschiedenen Dienstleistern und Logistikern zusammen. Eine Video-Überwachung ist in allen Läden Pflicht, damit diese den ganzen Tag, jeden Tag in der Woche geöffnet sein können. In Wörtlitz funktioniert der Betrieb mit 4 Teilzeitkräften.
Bewerbung für einen eigenen Tante Enso Laden im Dorf
Damit ein Tante Enso Laden sich in einem Dorf ansiedelt, sind 2 Dinge nötig. Als Erstes müssen die Vorgaben von MyEnso erfüllt sein und danach muss das Geschäft auf genügend Resonanz treffen, indem der Ort mindestens 300 Teilhaber für eine Genossenschaft findet. Jeder Teilnehmer kauft den Anteil an der Genossenschaft für 100 € und hat somit auch einen Anteil an dem Tante Enso in dem Ort. MyEnso verspricht, sobald 300 Teilhaber für die Genossenschaft gefunden sind, kommt der Tante Enso ins Dorf. Eine Liste mit Orten für Filialen in Planung gibt es auf der Webseite von MyEnso.
Vorgaben von MyEnso
Über ein Online Formular wird die Bewerbung für einen Tante Enso Laden ganz einfach mit 16 Antworten auf vorgefertigte Fragen ausgefüllt. Es findet sich sogar ein Hinweis, dass Konzepte für Seniorenresidenzen oder urbane Quartiere mit einer Sonderbewerbung per E-Mail möglich sind. Die Mindestvorgaben sind folgendermaßen:
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Weniger als 5.000 Einwohner
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Mindestens 1.000 Einwohner
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Kein Supermarkt in 6 Kilometer (km) Reichweite
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300 Einwohner mit 100 € Beteiligung an Genossenschaft
Werden diese Angaben nicht erfüllt, muss man wohl erst mal etwas warten, bis Tante Enso kommt. Es ist gut möglich, dass weitere Orte mit einbezogen werden, nachdem das Konzept erfolgreich getestet wurde.
Über 900 Bewerbungen für Tante Enso Läden
Einer der Gründer hat in einem Interview von über 900 Bewerbungen für die Mini-Supermärkte gesprochen. Der Bedarf scheint groß zu sein. Bisher wurden deutschlandweit 20 Tante Enso Märkte eröffnet und es kommen jeden Monat zwei neue dazu. Mit einer Vorleistung von 15 Millionen Euro von MyEnso soll das Expansionstempo in Zukunft weiter zunehmen.
Nach unserem Businessplan sind wir ab 45 Märkten in den schwarzen Zahlen, sagt der MyEnso Chef und Gründer Bausch.
Eigentlich sollten schon bis Ende letzten Jahres 50 Tante Enso Läden eröffnen, mit dem Ziel bis 2030 auf 1.000 Filialen zu kommen. Das Tempo hat sich etwas verringert, soll jetzt aber mit erhöhten Investitionen wieder beschleunigt werden. Nach Angaben der Gründer verdienen die Tante Enso Läden ab 300.000 € Umsatz im Jahr Geld, wenn die oben genannten Vorgaben eingehalten werden. In der Vergangenheit haben einige über 500.000 € erwirtschaftet. Das bisherige Konzept geht also auf, wobei das Umsatzpotenzial auf ca. 2,3 Millionen Euro im Jahr geschätzt wird.
Keine Konkurrenz durch Aldi, Lidl, Penny, Edeka, Rewe etc.
Das Konzept der großen Supermärkte ist es, ab einer Verkaufsfläche von 800 bis 1000 Quadratmeter einen Standort zu eröffnen. Die Kalkulationen der großen Märkte wie Aldi und Co. sieht die Personalkosten als zu hoch an, wenn die Filialen kleiner sind. Nur in Ausnahmefällen gibt es kleinere Filialen, z.B. starker Tourismus. In kleinen Gemeinden ist der Umsatz zu gering, im Verhältnis zu den laufenden Kosten.
Kleine Geschäfte sterben immer weiter aus auf dem Land. MyEnso bietet den Vorteil, dass die Preise im Tante Enso konkurrenzfähig sind. Viele kleinere Läden werden gerne besucht, aber sind häufig deutlich teurer, da nur in kleinen Mengen bestellt wird. Der Großeinkauf bietet günstige Preise und im Vergleich zu den großen Ketten gibt es keine vorgeschriebenen Produkte. Das Sortiment kann günstig und individuell angeboten werden. Geht das Konzept von Tante Enso auf, wäre es ein bedeutender Schritt für die Digitalisierung von Lebensmitteln.
(TB)
Hallo,
ich finde das sehr spannend.
Leider verschwinden diese kleinen Läden immer und immer mehr. Bei mir im Dorf ist einer gewesen und nach so vielen Jahren, sind sie einfach weg. Das trifft einen hart, wenn man bedenkt, dass man seine Kindheit dort verbracht hat.
Dennoch finde ich es sehr gewagt, wenn man einfach gegen der Strom von Amazon, Online Banking und Co. anschwimmt. Es hat ja einen Grund, weshalb diese Läden (leider Gottes) aussterben. Mehr dazu:
https://www.braunschweiger-zeitung.de/peine/ilsede/article238131413/Hohe-Kosten-Sterben-Tante-Emma-Laeden-im-Landkreis-Peine-aus.html
Ein großer Faktor dafür sind einfach die immer höher werdenden Kosten, welche so einen kleinen Laden aussterben lassen. Passt man die Preise dementsprechend an, fallen aber höchstwahrscheinlich die Kunden weg, wegen der stetig aufsteigenden Preisen.
Ich wünsche viel Erfolg mit dem Projekt. Es würde mich freuen, mal einen solchen „Tante Enso Laden“ in meiner Nähe zu haben.
Gruß