Process Mining ist eine Technologie und Methodik zur Analyse und Optimierung von Geschäftsprozessen. Dabei werden digitale Spuren genutzt, die in IT-Systemen (wie ERP-, CRM- oder Workflow-Systemen) hinterlassen werden, um tatsächliche Abläufe in einem Unternehmen zu visualisieren, zu analysieren und zu verbessern.

 

Process Mining – Das Wichtigste in Kürze:

Process Mining verbindet die Stärken von Datenanalyse und Prozessmanagement, um einen genauen Einblick in die tatsächlichen Abläufe innerhalb eines Unternehmens zu erhalten. Process Mining besteht im Wesentlichen aus drei Hauptschritten:

  • Datenextraktion: Digitale Spuren (Logs) aus IT-Systemen wie ERP (z.B. SAP), CRM (z.B. Salesforce) oder Workflow-Systemen werden gesammelt und aufbereitet.

 

  • Prozessvisualisierung: Die extrahierten Daten werden in ein Prozessmodell überführt, das die realen Abläufe abbildet. Diese Modelle helfen dabei, Abweichungen und Schwachstellen zu erkennen.

 

  • Prozessanalyse und -optimierung: Mit Hilfe von Algorithmen und Visualisierungstools werden Prozesskennzahlen berechnet und Verbesserungspotenziale identifiziert.

Ein großer Vorteil von Process Mining ist, dass es die tatsächlichen Ist-Prozesse aufzeigt und nicht nur theoretische Modelle, was die Optimierung erheblich praxisnaher und zielführender macht.

Wie funktioniert Process Mining?

1. Datenextraktion – Der Rohstoff für Process Mining

Process Mining lebt von Ereignisprotokollen (Event Logs).

Diese Protokolle entstehen automatisch in IT-Systemen, wenn ein Prozessschritt digital ausgeführt wird.

Was sind Event Logs?

  • Zeitgestempelte Aufzeichnungen von Aktivitäten

  • Beziehen sich auf einen konkreten Fall (z.B. eine Bestellung, ein Ticket)

  • Enthalten mindestens: Fall-ID, Aktivität, Zeitstempel

Woher stammen diese Daten?

Event Logs sind oft „versteckt“ in verschiedenen IT-Systemen:

Beispiel:

Wenn ein Kunde eine Bestellung in einem Onlineshop aufgibt, entstehen mehrere Events:

  • „Bestellung erstellt“

  • „Bezahlung erfolgt“

  • „Ware verpackt“

  • „Ware versendet“

  • „Rechnung gestellt“

Diese einzelnen Schritte werden mit Zeitstempel, Beteiligtem (Benutzer, System oder Abteilung) und einer Fallnummer (z.B. Bestellnummer) im System gespeichert.

 

2. Datenaufbereitung – Aus Rohdaten werden nutzbare Informationen

Bevor Process Mining echte Einblicke liefern kann, müssen die Rohdaten bereinigt und vereinheitlicht werden – ähnlich wie bei einer klassischen Datenanalyse mit Excel oder BI-Tools.

Typische Schritte der Datenaufbereitung:

  • Fehlerhafte Daten bereinigen

    • Beispiel: Entfernen oder Korrigieren von fehlenden Zeitstempeln, doppelten Einträgen oder falschen IDs

 

  • Datenquellen zusammenführen

    • Beispiel: Einkaufssystem + Lagerverwaltung → ein Gesamtbild des Prozesses

 

  • Einheitliche Formate schaffen

    • Beispiel: Zeitstempel in identischem Format, Aktivitäten konsistent benennen (z.B. „Bestellung erstellen“ ≠ „Order created“)

Warum ist das wichtig?

Nur saubere Daten ermöglichen eine verlässliche Analyse.

Schlechte Daten = Verzerrte oder falsche Prozesssicht.

 

3. Prozessmodellierung – Sichtbar machen, wie Prozesse wirklich ablaufen

Jetzt kommt die Magie:

Aus den bereinigten Logs werden tatsächliche Prozessmodelle automatisch erstellt. Das funktioniert über spezielle Algorithmen, die erkennen, wie oft, in welcher Reihenfolge und mit welchen Verzweigungen Prozessschritte auftreten.

Unterkategorien:

  • Discovery (Entdeckung)

    Sie haben kein Modell? Kein Problem. Das System erstellt ihnen automatisch eines – basierend auf den tatsächlichen Abläufen.

 

  • Conformance Checking (Übereinstimmung prüfen)

    Man hat ein Modell (z.B. aus dem QM-Handbuch)? Man kann prüfen, ob sich alle an den Soll-Prozess halten – und wo Abweichungen auftreten.

 

  • Enhancement (Erweiterung)

    Sie reichern das Modell mit Infos an, z.B. wie lange jeder Schritt dauert, welche Ressourcen ausgelastet sind usw. So bekommt man ein dynamisches Bild des Prozesses.

 

4. Analyse und Visualisierung – Prozesse auf einen Blick erkennen

Die Prozessmodelle werden nun grafisch dargestellt – ähnlich wie Flussdiagramme, aber basierend auf realen Daten. 

  • Pfad-Analysen: Wie viele verschiedene Wege durchlaufen die Prozesse?

 

  • Durchlaufzeiten: Wie lange dauert der Prozess im Durchschnitt? (Minimum, Maximum)

 

  • Bottlenecks: Wo stauen sich Prozesse? (z.B. häufiges Warten in der Freigabe durch den Einkauf)

 

  • Loops und Rework: Werden Schritte oft wiederholt (z.B. weil falsche Daten eingegeben wurden)?

 

Tools dafür sind:

  • Celonis (Marktführer, sehr leistungsfähig)

  • Disco / Fluxicon (intuitiv, gut für kleinere Projekte)

  • ProM (Open Source, flexibel, aber komplex)

  • SAP Signavio (gut integriert mit SAP-Systemen)

 

5. Optimierung – Aus Erkenntnissen werden Verbesserungen

Jetzt wird es praktisch:

Man nutzt die Erkenntnisse aus der Analyse, um Prozesse zu verbessern, z.B.:

  • Automatisierung: Wiederholbare Arbeitsschritte (z.B. Rechnung freigeben) kann man automatisieren

 

  • Prozessvereinfachung: Umwege und Schleifen entfernen

 

  • Zielgerichtetes Training: Wenn bestimmte Abteilungen immer Fehler machen, kann gezielt geschult werden

 

  • Echtzeit-Überwachung: Moderne Tools erlauben Live-Dashboards, um sofort bei Abweichungen eingreifen zu können

 

Typische Anwendungsbereiche von Process Mining

Finanzen: 

  • Rechnungsfreigabe: Analyse und Optimierung von Freigabeprozessen zur Vermeidung von Verzögerungen

 

  • Zahlungsprozesse: Identifikation verspäteter Zahlungen, Doppelbuchungen oder Compliance-Verstöße

 

Logistik:

  • Lieferkettenoptimierung: Transparenz in der Supply Chain, Erkennung von Engpässen oder ineffizienten Abläufen.

 

  • Versandprozesse: Analyse von Versandzeiten, Laufwegen und Verzögerungen.

 

  • Retourenmanagement: Ursachenanalyse von Rücksendungen und Optimierung der Rückabwicklung.

 

Produktion:

  • Effizienzsteigerung und Qualitätskontrolle: Nachverfolgung von Produktionsschritten zur Minimierung von Fehlern und Durchlaufzeiten.

 

  • Maschinenstillstände: Erkennung und Ursachenanalyse von Produktionsunterbrechungen.

 

Kundenservice:

  • Ticket-Bearbeitungsdauer: Messung der tatsächlichen Bearbeitungszeit von Kundenanfragen.

 

  • SLA-Verstöße: Aufdeckung von Service-Level-Verletzungen.

 

  • Identifikation von Flaschenhälsen im Support: Analyse, wo und warum Supportprozesse ins Stocken geraten.

Vorteile von Process Mining – Ausführlich erklärt

 

Vorteilskategorie

Nutzen
Transparenz Versteckte Abläufe sichtbar machen
Effizienz Prozesse verschlanken, Engpässe eliminieren
Compliance Regelkonformität sichern, Risiken senken
Kostensenkung Weniger Aufwand, weniger Fehler, mehr Automatisierung
Qualitätssicherung Fehler erkennen, Prozesse stabilisieren
Entscheidungen Faktenbasierte Planung, Simulation und Optimierung

Transparenz

Process Mining bringt Licht in die Blackbox der Geschäftsprozesse – und zwar datenbasiert und objektiv.

  • Echtzeit-Einblick in Prozesse

    Unternehmen sehen nicht nur, wie Prozesse gedacht sind, sondern wie sie wirklich ablaufen. Das ist oft eine große Überraschung – z.B. wenn ein Genehmigungsprozess zehn zusätzliche Schleifen durchläuft, die vorher nie dokumentiert waren.

 

  • Besseres Prozessverständnis

    Führungskräfte, Prozessmanager und Mitarbeitende erkennen, welche Wege Prozesse nehmen – inklusive Sonderfälle, Ausnahmen und Umwege. So können Prozesse realistischer gestaltet und besser kommuniziert werden.

 

  • Nachvollziehbarkeit

    Jeder Prozessfall lässt sich bis ins kleinste Detail zurückverfolgen (Beispiel: Warum wurde Bestellung 4567 viermal umgeleitet?). Das ist besonders nützlich für Audits und Qualitätsmanagement.

Effizienz

Process Mining ist ein Schlüsselwerkzeug zur Steigerung der operativen Effizienz.

  • Erkennung von Engpässen (Bottlenecks)

    Welche Schritte dauern am längsten? Wo warten Prozesse unnötig? Wo staut sich Arbeit? Die Analyse zeigt Wartezeiten, Bearbeitungszeiten und Schleifen direkt auf.

 

  • Aufdecken von Optimierungspotenzialen

    Wenn ein Schritt ständig manuell korrigiert werden muss, lohnt sich vielleicht eine Automatisierung oder Schulung.

 

  • Prozessstandardisierung

    Besonders in großen Unternehmen oder bei international verteilten Teams laufen gleiche Prozesse oft unterschiedlich ab. Process Mining hilft dabei, eine einheitliche, effiziente Vorgehensweise zu etablieren.

Compliance und Kontrolle

Gerade in regulierten Branchen (z.B. Pharma, Finanzwesen) ist die Einhaltung von Regeln (Compliance) entscheidend.

  • Automatisierte Überwachung

    Systeme können z. B. prüfen, ob alle Bestellungen über 10.000 € genehmigt wurden – und sofort Alarm schlagen, wenn das nicht passiert.

 

  • Auditfähigkeit

    Process Mining liefert einen „digitalen Prüfpfad“ – alle Aktivitäten sind nachvollziehbar dokumentiert. Das reduziert den Aufwand bei internen und externen Audits erheblich.

 

  • Anomalieerkennung

    Abweichungen vom Sollprozess werden automatisch erkannt – etwa eine ungewöhnliche Genehmigungsreihenfolge, die auf Betrug oder ein Systemproblem hinweisen könnte.

Kostensenkung

Ein oft unterschätzter, aber mächtiger Effekt: effiziente Prozesse sparen bares Geld.

  • Reduktion operativer Kosten

    Jeder überflüssige Prozessschritt, jede Verzögerung und jeder Fehler kostet Ressourcen. Wenn diese eliminiert werden, sinken die Kosten direkt.

 

  • Automatisierungspotenziale entdecken

    Wiederkehrende, manuelle Schritte lassen sich automatisieren – z.B. durch RPA (Robotic Process Automation) oder Workflows. Das spart Zeit und Personalressourcen.

 

  • Fehler vermeiden = Kosten vermeiden

    Korrekturen sind teuer, besonders wenn sie spät im Prozess erfolgen. Frühzeitige Fehlererkennung reduziert Nachbearbeitung, Rückfragen und Kundenunzufriedenheit.

Qualitätssicherung

Process Mining ist ein wertvolles Tool zur Steigerung der Prozess- und Produktqualität.

  • Fehlerquellen identifizieren

    Wenn z.B. ein bestimmter Mitarbeiter oder Standort überdurchschnittlich viele Reklamationen auslöst, kann gezielt nachgeschult oder der Ablauf angepasst werden.

 

  • Prozessqualität verbessern

    Statt pauschaler Qualitätssicherungsmaßnahmen lassen sich konkrete Schwachstellen gezielt angehen, z.B. im Genehmigungsprozess oder der Auftragsabwicklung.

Entscheidungsunterstützung

Data-driven Decision Making ist kein Buzzword mehr – Process Mining liefert die Grundlage dafür.

  • Fundierte, faktenbasierte Entscheidungen

    Statt sich auf Annahmen oder Bauchgefühl zu verlassen, liefern Daten die Wahrheit. Wo lohnt sich eine Automatisierung? Wo ist eine Reorganisation sinnvoll?

 

  • Simulationen und Vorhersagen

Moderne Tools bieten Predictive (Was wird passieren?) und Prescriptive (Was soll ich tun?) Process Mining. So kann man z.B. sehen:

    • Was passiert mit meinen Durchlaufzeiten, wenn ich ein zusätzliches Team einführe?

    • Wie wirkt sich ein geändertes Genehmigungslimit auf den Prozessfluss aus?