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Wiederaufbaufonds der EU – Urteil zur Transferunion – Bail-out-Verbot – Der Wiederaufbaufonds der Europäischen Union beschäftigt nicht nur die einzelnen Länder, sondern auch die Gerichte. Zuletzt hatt sich der Bundesgerichtshof der Sache angenommen. Es ging darum, ob ein Verstoß gegen das Bail-out-Verbot, also eines Herauspaukens überschuldeter Staaten durch die Gemeinschaft durch den Wiederaufbaufonds gegeben ist. Es wäre zu befürchten, das eine Transferunion entsteht. Die Euro-Zone ist eine Schuldenunion, in der belohnt wird, wer Schulden macht.
Wiederaufbaufonds – Fonds de Relance – Recovery Fund
Die Definition des Wiederaufbaufonds (*Wikipedia): „Der Wiederaufbaufonds ist ein Konjunkturpaket der Europäischen Union, um die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in den Mitgliedstaaten einzudämmen und zu mildern. Der Fonds wurde am 12. Februar 2021 formell gegründet. Finanzierungsgrundlage sind der Mehrjährige Finanzrahmen MFR 2021–2027 von über 1 Billion Euro und das temporäre Aufbauinstrument ‚Next Generation EU‘ (NGEU), das die Kommission ermächtigt, an den Kapitalmärkten im Namen der Union Mittel bis zu 750 Mrd. EUR zu Preisen von 2018 aufzunehmen. Die Mitgliedstaaten haften über ihre künftigen Beiträge zum Haushalt der Europäischen Union gemeinschaftlich für die Schulden des Fonds. Sollten Mitgliedstaaten ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen, müssen die übrigen Mitgliedstaaten über ihren Anteil am EU-Haushalt hierfür einstehen. Der Wiederaufbaufonds führt damit zu schuldenfinanzierten Transfers zwischen den Mitgliedstaaten.
Das neue EU Finanzierungsinstrument
Das Geld soll zwischen 2021 und 2023 an Regionen und Wirtschaftsbereiche, die besonders durch die Wirtschaftskrise seit 2020 geschädigt wurden, in Form von Krediten und nicht zurückzahlbaren Zuschüssen ausgezahlt werden. Der Wiederaufbaufonds ermöglicht damit den Mitgliedstaaten, ihre nationalen Fiskalregeln zu umgehen, beispielsweise die deutsche Schuldenbremse, indem sie auf EU-Ebene Schulden aufnehmen und sich die Gelder anschließend als Zuschüsse zuweisen. Erstmals verschuldet sich die EU als Ganzes. Die EU bekommt somit durch die am 21. Juli 2020 vom Europäischen Rat beschlossene Umsetzung ein neues Finanzierungsinstrument“.
Wiederaufbaufonds – Das Urteil des Bundesverfassungsgericht
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts verhandelte zwei Verfassungsbeschwerden gegen das Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz („EU-Wiederaufbaufonds – NGEU“) – und verkündete am 06. Dezember 2022 die Urteile (2 BvR 547/21, 2 BvR 798/21) – Mit heute verkündetem Urteil hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts zwei Verfassungsbeschwerden ERatG – NGEU zurückgewiesen, die sich gegen das Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz (ERatG) richteten. Damit waren die Verfassungsbeschwerden gegen das Eigenmittelbeschluss-Ratifizierungsgesetz („EU-Wiederaufbaufonds – NGEU“) erfolglos.
Verfassungsbeschwerden gegen die Transferunion
Die Tagesschau berichtete: „Deutschland darf sich am milliardenschweren Corona-Wiederaufbaufonds der EU beteiligen. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe wies zwei Verfassungsbeschwerden dagegen zurück. Er äußerte aber Bedenken. Dass die EU Schulden aufgenommen hat, um die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie in den Mitgliedstaaten zu bewältigen, ist nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zulässig. Bundesregierung und Bundestag durften demnach dem EU-Beschluss zustimmen, mit dem insgesamt 750 Milliarden Euro Kredite aufgenommen wurden. Einen Eilantrag dazu wies das Verfassungsgericht schon im April 2021 ab“.
EU Beschluss 2020/2053 ERatG
Mit Gesetz vom 23. April 2021 (ERatG) haben Bundestag und Bundesrat dem Beschluss (EU, Euratom) 2020/2053 des Rates vom 14. Dezember 2020 über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union zugestimmt. Dazu gabe es sofort Eilanträge beim BVerfG – die aber erfolglos blieben. Das gericht sah einen Verstoß gegen das Bail-out-Verbot, also eines Herauspaukens überschuldeter Staaten durch die Gemeinschaft, als nicht gegeben. Die vom Gericht befragten Ökonomen hatten Bedenken, dass der Fonds Neuverschuldung der Mitgliedstaaten in erheblichem Umfang ersetzt.
Wiederaufbaufonds der EU – Transferunion durch die Hintertür
Peter Müller Verfassungsrichter des Zweiten Senats vom BvErfG stellte sich mit einem ausführlichen Minderheitsvotum gegen die Einschätzung des Gerichts. Überzeugend legt er dar, dass der Wiederaufbaufonds der Einstieg in eine dauerhafte und grundlegende Veränderung der europäischen Finanzarchitektur sei, der die erforderliche rechtliche Grundlage fehle – eine Transferunion durch die Hintertür also. Dr. Daniel Stelter berichtet auf seinem Portal: „Von „Einmaligkeit“ könne keine Rede sein, wäre es doch naiv anzunehmen, dass die EU dieses Instrumentarium nicht erneut anwenden werde. Wie zur Bestätigung hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Blick auf das Klima-Subventionsprogramm der USA sogleich weitere europäische Schulden ins Spiel gebracht“.
Ist der EU-Wiederaufbaufonds richtig? Dieser Frage stellen sich – Silke Tober und Daniel Stelter auf der Seite der Hans-Böckler-Stiftung. Ja – sagt Silke Tober, Ökonomin und Leiterin des Referats Geldpolitik im IMK der Hans-Böckler-Stiftung – Eine zügige wirtschaftliche Erholung erfordert Maßnahmen, die die Nachfrage erhöhen, die Investitionen anregen und die ökologische Transformation voranbringen.“ . Nein – sagt Daniel Stelter, Ökonom, Buchautor und Gründer des Diskussionsforums „Beyond the Obvious“ – „Der Einstieg in eine Transferunion wird uns überlasten und bei den Empfängern nötige Reformen weiter verzögern“.
Wiederaufbaufonds – Größtes Konjunkturpaket aller Zeiten
Die Europäische Kommision schreibt dazu: Flankiert von „NextGenerationEU“ (NGEU), dem zeitlich befristeten Aufbau-Instrument, ist der langfristige EU-Haushalt das größte Konjunkturpaket, das je aus dem EU-Haushalt finanziert wurde. Mit insgesamt 2,018 Billionen Euro zu jeweiligen Preisen* soll Europa nach Corona wieder auf die Beine kommen. Es soll ein grüneres, stärker digital ausgerichtetes und krisenfesteres Europa werden. Die Mittel werden eingesetzt, um die zentralen Herausforderungen vor Europa zu bewältigen und Bedürftige zu unterstützen. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wurde der EU-Haushalt eingesetzt, um Soforthilfe und Unterstützung in der Ukraine und in den EU-Ländern zu leisten und die humanitären Folgen des Krieges zu lindern.
Finanzhilfen und Darlehen zur Unterstützung von Reformen
Das Herzstück von NextGenerationEU ist die Aufbau- und Resilienzfazilität – ein Instrument, das Finanzhilfen und Darlehen zur Unterstützung von Reformen und Investitionen in den EU-Mitgliedstaaten im Umfang von insgesamt 723,8 Mrd. EUR bereitstellt. Um Mittel aus der Aufbau- und Resilienzfazilität zu erhalten, müssen die Mitgliedstaaten Aufbau- und Resilienzpläne erstellen, in denen sie darlegen, wie die Mittel investiert werden sollen. Darüber hinaus müssen sie die einschlägigen Etappenziele und Zielwerte erreichen, und bevor Auszahlungen im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität erfolgen können, bewertet die Kommission, ob die einzelnen Etappenziele und Zielvorgaben zufriedenstellend erreicht wurden. Die Pläne einzelner EU-Mitgliedstaaten und die bisherigen Auszahlungen sind im interaktiven Aufbau- und Resilienzanzeiger einsehbar.
Wiederaufbaufonds – Die Umverteilung innerhalb Europas
Dr. Daniel Stelter: „So setzt sich fort, was wir seit Jahren erleben. In jeder Krise werden die vereinbarten Regeln aufgeweicht oder missachtet, und das Verfassungsgericht lässt dies geschehen. Die Umverteilung innerhalb Europas, unter dem Titel „Transferunion“ von der Politik in Deutschland offiziell abgelehnt, erfolgt schon lange über die Bilanz der Europäischen Zentralbank (EZB), für deren Verbindlichkeiten wir mindestens mit unserem Anteil von 25 Prozent haften. Insofern war diese Klage vor dem Bundesverfassungsgericht genauso berechtigt wie die vorangegangenen gegen die Politik der EZB“.
Missachtung der Verschuldungsregeln
Das Handelsblatt titelte zum Urteil: “Gerichte halten die Transferunion nicht auf – daher muss die Politik handeln”. Ein Userkommentar zum Urteil: „Vielleicht wäre es um den Euro etwas besser bestellt, wenn man seinerzeit festgelegt hätte, dass Staaten, die gegen die Verschuldungsregeln verstoßen, ihr Mitbestimmungsrecht in der EZB temporär verlieren. Damit hätte man eine Mehrheit der Schuldenstaaten verhindern können. Und es hätte erst mal nichts gekostet. Der Finanzminister Waigel hatte beim (vorzeitigen) Lob des Euro hervorgehoben, dass Staaten, die sich nicht an die Verschuldungsregeln halten, Strafe zu zahlen hätten. Das wurde aber nie umgesetzt. Jedenfalls habe ich den Eindruck, dass sich unsere Politiker, die an den Verträgen mitgearbeitet haben, sich über den Tisch ziehen ließen (trotz optimaler Ausgangsposition). Inzwischen ist jedoch auch Deutschland auf gutem Weg zu einem überschuldeten Staat zu werden“.
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